Meyers Konversations-Lexikon, 1875
Im Innern des Reichs beherrschte der Aufstand der Taiping noch immer ganze Provinzen und hatte dort die Regierungsorgane vielfach gänzlich beseitigt. An vielen Orten hatte der langjährige Bürgerkrieg Banden organisiert, die unter Vorschützung politischer Zwecke lediglich auf Plünderung ausgingen; in Jünnan wie außerhalb des eigentlichen China, in Turkestan, waren sogar neue Reiche in der Bildung begriffen. Die Regierung betrachtete es als das Dringendste, den Taiping ein Ende zu machen, welche die einträglichsten Provinzen ausbeuteten.
Engand und Frankreich fürchteten von der Fortdauer des Aufstandes Gefährdung ihrer Handelsinteressen; einige Zwischenfälle bestärkten die englischen diplomatischen Agenten in der Anschanung, die Rebellen feien nur undisziplinierte Scharen und ihr Kaiser nicht der Mann, eine feste neue Dvnastie an Spitze der Regierung zu bringen.
Es Stellte sich zwar später heraus, dass hier viel Irrtum mit unterlief und dass die diplomatischen Vertreter mit vorgefassten Meinungen an die Erhebung und Prüfung der Verhältnisse gingen; aber die Zukunft lehrte doch, dass unter den Taiping die Ordnung nicht herrschte, die mit der Rückkehr der Kaiserlichen wieder einzog, und dass die Taiping eine geordnete Verwaltung einzusetzen nicht im Stande waren.
Die Westmächte gingen daher auf den Antrag des Prinzen Kong von ihrem Nichtinterventionsprinzip ab, und die englischen und französischen Flottenkommandanten in den chinesischen Gewässern wurden beauftragt, gemeinsame Operationen in Verbindung mit den Kaiserlichen gegen die Rebellen zu eröffnen.
Die Regierungen würben in Europa wegen dieses Schritts heftig getadelt. Das große Blutbad, zu welchem die Niederwerfung des Aufstandes führte und wobei mitunter auch Europäer mitwirkten, ist allerdings zu beklagen; diese Szenen sind aber doch nicht gräßlicher gewesen als die bisher durch die Taiping verübten Grausamkeiten.
Den nächsten Anlass, zur Intervention zu Schreiten, gab der Angriff auf Schanghai, das die Rebellen im Februar 1862 vollständig eingeschlossen hatten. Ihre Vertreibung gelang leicht im April und Mai 1862 wurden viele kleinere feste Punkte genommen, namentlich aber das am 9. Dezember 1861 von den Rebellen eingenommene Ningpo wieder erobert.
Zu gleicher Zeit organisierten der Franzose Le Brethon de Coligny und der Amerikaner Ward im Dienste des Kaisers von China einheimische Truppenkörper, während Kapitän Osborne den Auftrag erhielt, eine chinesische Flotte zu bilden. Das englisch-chinesische Korps Wards stand nach einander unter der Führung des Obersten Burgewine, des Kapitäns Holland und des Majors Gordon, und Le Brethon, welcher bei dem Sturm auf Schaohing im Januar 1863 fiel, erhielt zunächst in dem Artilleriehauptmann Tardif de Moidrey einen Nachfolger. Da dieser indes ebenfalls vor Schaohing am 16. Febr. 1863 fiel, so übernahm der Schiffsleutnant d'Aiguebelle die Führung des französisch-chinesischen Korps.
Mehr und mehr gelang es, die Aufständischen von den Seeprovinzen in das Innere zurückzutreiben; am 31. März 1864 erzwang das französisch-chinesische Korps nach längerer Belagerung die Übergabe von Hangtscheu, der Hauptstadt der Provinz Tsche-kiang, und bald darauf Hutscheus, des letzten Punkts der Taiping. Im Dezember 1863 eroberte das englisch-chinesische Korps unter Gordon Su-tscheu nach sechsmonatlicher Belagerung, im nächsten Monat Tschangtscheu, eine für die Taiping sehr wichtige Pofition. So sahen sich diese auf Nanking eingeschränkt, ihre eigentliche Hauptstadt, in der jetzt der Rebellenkaiser Tienwang residirete. Die Belagerung dieses Platzes unternahmen mit Hilfe von Engländern die kaiserlichen Truppen unter dem Oberbefehl des schon 1852 bewährten Generalgouverneurs Tsengkuofan, und am 19. Juli erfolgte nach tapferem Widerstande die Übergabe der Stadt. Vorher hatte sich Tienwang mit seinen Weibern verbrannt.
Das Eingreifen der Europäer hatte, wie zu erwarten, der Regierung des Prinzen Kong manche Schwierigkeit bereitet und vielfache Konflikte mit der lokalen Verwaltung hervorgerufen. Besonders die Mandarine fühlten sich gedemütigt, indem sie die Oberleitung in den Händen der Fremden sahen, und ließen sich nur sehr ungern bereit finden, deren Anordnungen zu unterstützen und die Soldaten der durch sie gebildeten Kontingente zu bezahlen. Derartige Streitigkeiten zogen die vorzeitige Auflösung der englisch-chinesischen Truppen nach sich; im Oktober 1864 wurde auch die chinesisch-französische Legion entlassen.
Der Sache der Taiping war zwar ein Ende gemacht; die Rebellion und der Kampf
um ihre Unterdrückung hatte jedoch die Tee- und Seidendistrikte ungemein
geschädigt und mehr als zwei Millionen Menschen hinweggerafft. Der Regentschaft
blieb noch die Aufgabe, die Nienfei oder die Banden, die aus zersprengten
Taiping sich gebildet hatten und insbesondere Honan und Schantung unsicher machten, Sowie
andere Räuberbanden im Westen, welche durch die Kopflosigkeit der Regierung
1859 zu bedeutender Macht erstarkt waren und 1861 den größeren Teil von Ssetschuan
in ihre Gewalt gebracht hatten, zu vernichten. ![]()