Muselmanische Aufstände

Meyers Konversations-Lexikon, 1875

Ein weiterer innerer Feind im Herzen des Reichs war ihr in den Muselmanen von Kansu und Schensi erstanden, denen Religionsbedrückungen Anlass oder Vorwand zum Aufstand gegeben hatten. Unter der  undisziplinierten Bevölkerung dieser an die Mongolei angrenzenden und teilweise in ihr liegenden Provinzen fanden sie zahlreichen Anhang und durchzogen nun in Haufen von 3—6000 Mann brandschatzend die westlichen Provinzen, plünderten die reichen buddhistischen Klöster und beschränkten die Wirksamkeit der chinesischen Behörden auf das Weichbild fester Punkte. Eine Armee konnte ihnen nicht entgegengestellt werden, da die Ereignisse im Osten wie in Turkestan und Jünnan die Truppen beschäftigten; erst 1871 konnte ihnen die Regierung energisch entgegentreten. Nach den Nachrichten vom Dezember 1873 darf die chinesische Regierung wieder als Herrin in diesem Teil des Reichs betrachtet werden.

Weniger großartig sind bisher ihre Erfolge gegen die muselmanischen Panthai in Jünnan gewesen; hier war zwar Suleiman Ibn-i-Abdur Rahman verjagt, das Land aber noch immer Abenteurern und Raubgesindel preis gegeben. Unwiederbringlich verloren für China ist das äußerste Westgebiet, Turkestan. Wenn auch die Zukunft erst entscheiden wird, ob sich Jakub Kuschbegi, mit dem Titel Atalik Ghazi, in Kaschgar als Herrscher von Turkestan behaupten kann, so fällt doch sein Reich sicher an Russland und nicht mehr an China zurück. Russlands Grenze reicht (Ende 1874) bis fast zwei Tagreisen nordisch an Kaschgar; seine Grenzen gegen die Dsungarei hat es immer weiter gegen Osten verlegt; am 20. August 1871 besetzte es Kultscha, und der Weg in die weite mongolische Steppe steht ihm offen.