Li Hongzhang (1823-1901)

1900 in TianjinLi Hongzhang war der mächtigste Mandarin des ausgehenden neunzehnten Jahrhunderts in China.

In seiner Jugend, die er in Hefei in der Provinz Anhui verbrachte, zielte sein Ehrgeiz darauf, die kaiserliche Prüfung als Bester abzuschließen und ein großer Gelehrter zu werden. Doch als ihm der von ihm später sehr verehrte Zeng Guofan anbot, unter ihm gegen die Taiping zu kämpfen, willigte er ein. Er avancierte zum obersten Befehlshaber. Nach dem Tode von General Ward, der die "Immer Siegreiche Armee" aufgebaut und befehligt hatte, stellte er General Gordon ein, zu dem er eine intensive aber zwiespältige Beziehung entwickelte. 1864 gelang es ihnen, die Taiping-Rebellion endgültig nieder zu schlagen.

1865 wurde er Gouverneur von Jiangsu, 1869 Generalgouverneur (im Westen fälschlich als "Vizekönig" bezeichnet) von Huguang. 

Ab 1870, kurz nachdem das Massaker an den dortigen Franzosen verübt worden war, bekleidete er fünfundzwanzig Jahre lang das Amt des Generalgouverneurs von Zhili, der nördlichen Provinz, in welcher die kaiserliche Hauptstadt lag, und brachte es zu sagenhaftem Reichtum -- er gründete Dampferlinien, legte Teeplantagen an, stellte Pulver her und galt als Leihhauskönig Chinas. Er modernisierte seine Provinz nach bestem Können industriell und militärisch, weil er durch seine Erfahrungen mit den ausländischen Helfern im Taiping-Aufstand erkannt hatte, dass China nur dann selbständig bleiben könne, wenn es die technischen Errungenschaften des Westens übernahm. Eines seiner zentralen Anliegen war es, die Reaktionäre zu bändigen und die Ausländer zu schützen -- nicht weil ihm diese besonders sympathisch gewesen wären, sondern weil er wusste, das sonst schreckliche Auseinandersetzungen folgen müssten, in welchen China unterliegen würde.

1875 erhielt er den höchsten chinesischen Beamtenrang. Er wurder erster Staats-Sekretär. Er war Präsident des Kriegsgerichts, hatte die Oberaufsicht über den nördlichen Seehandel und zahllose andere Funktionen.

Der Hof machte ihn für die verheerende Niederlage gegen Japan 1895 teilweise verantwortlich, obwohl er vor der Auseinandersetzung gewarnt hatte. Trotzdem, bzw. -- wie man es damals formulierte -- gerade deshalb (löffle aus, was Du eingebrockt hast) wurde er mit den Verhandlungen beauftragt und gab Taiwan preis, das damals in seinen Augen ohnehin ein wertloser Besitz war. Die "Gelbe Jacke" und die Pfauenfedern, der er sich in der Taiping-Rebellion verdient hatte, wurde ihm aberkannt, später jedoch erneut verliehen.

1896 reiste er auf Bitte des russischen Hofes als chinesischer Abgesandter zur Krönung des Zaren und weiter nach Deutschland, Frankreich, England und Amerika. Diese Fahrt gab ihm letzten, umfassenden Aufschluss über die Macht und die Möglichkeiten der westlichen Mächte.

Nach seiner Rückkehr wurde er Präsident des Zongli yamen und Minister des Auswärtigen in Beijing. Er sah voraus, dass die in seinen Augen naiven Reformen des jungen Kaisers Guangxu, zu einem Gegenschlag der Reaktion bei Hof führen würden; dass diese -- in völliger Unkenntnis der Machtverhältnisse -- schließlich den fruchtlosen Versuch machen würde, die Ausländer aus dem Land zu vertreiben. Der Verlust der Souveränität Chinas stand als schreckliches Ende vor seinen Augen.

Kaiserin-Witwe Zixi ließ ihm die Wahl, in welche Provinz er gehen wolle. Er wählte Kanton, um möglichst weit weg zu sein. Er meinte, dass er, wenn der reaktionäre Umschwung käme, bei Hof nicht schweigen können und schließlich das Leben verlieren würde. Nach der demütigenden Niederlage gegen die alliierten Kräfte bat ihn Zixi inständig nach Beijing. Er reiste zögerlich gegen Norden und führte schließlich die Friedensverhandlungen mit den Westmächten, die ihn immer als vernünftigen und verlässlichen Partner geschätzt hatten. Seine letzte und vielleicht sogar größte Leistung war es, dass er China vor der endgültigen Aufteilung bewahrte, die damals zum Greifen nahe war. Er starb noch im Herbst dieses Jahres (1901).

Über die Armen im Westen