Hong Xiuquan (1814-1864) und die Taiping-Rebellion

Meyers Konversations-Lexikon, 1875

Der Führer des Aufstandes war Hung Siutsuen, gebürtig aus Kuangtung, 48 Kilometer, von Kanton entfernt. Er war im Staatsexamen durchgefallen und dann Dorfschullehrer geworden. Sein Vater war Patriarch, Oberhaupt des ganzen Stamms der Hung und genoss als solcher großes Ansehen. 1837 wurde er von einer schweren Krankheit befallen und hatte dabei Visionen, in welchen er zum Himmel erhoben und zur königlichen Würde bestimmt zu werden glaubte. Da er nach einiger Zeit durch den Missionar Gützlaff mit dem Christentum bekannt gemacht wurde, so steigerte sich seine innere Aufregung noch. In seinem Hause wie in der Schule warf er nun alle Götzenbilder hinaus; er begann in seinem Stamm, der an 20,000 Köpfe zählte, zu predigen und veröffentlichte 1845—46 verschiedene kleine Schriften.

In Konflikt mit der Obrigkeit kam er durch die Zerstörung eines hoch gehaltenen Wunderbildes. Die Hung hielten zu ihm, .die Regierung bot 1848 Truppen gegen ihn auf; zu Kämpfen kam es aber noch nicht. Im Jahr 1849 mehrten sich indessen Hungs Anhänger und noch mehr 1850, als er eine ansteckende Krankheit vorhergesagt hatte, der viele Bewohner in Kuangsi zum Opfer fielen.

Im September 1858 brach in Kuangtung eine Fehde zwischen den Punti und Hakka aus; die letzteren die nur 4 Mill. gegen 21 Mill. der Punti zählen erlitten eine Schlappe und riefen Siutsuen und seinen Angang zur Unterstützung herbei. Dieser folgte bereitwillig; sein Aufruf brachte jung und alt, hoch und niedrig unter die Waffen. Die Mandarine glaubten der Bewegung durch Hinrichtung der Christen und Anhänger des Siutsuen Herr werden zu können, riefen aber nur Repressalien hervor, und diese wurden von beiden Seiten während des länger als 10 Jahre dauernden Aufstandes nur zu reichlich geübt.

Mit den Ming und den Mitgliedern des »Dreieinigkeitsbundes« schloss Siutsuen nur vorübergehend ein Bündnis; Seine Disziplin sagte ihnen nicht zu, und sie kämpften von da an in den Reihen der kaiserlichen, in der Hoffnung, später empor zu kommen.

Im Herbst 1851 nach Einnahme der Stadt Jung-ngan in Kuangsi wurde er als Gründer der neuen Dynastie Taiping (»Großer Friede«) oder Tinkwok (»Himmelskönigreich« ausgerufen. Von da an machte er einen Siegesmarsch in die 6 Provinzen Kuangsi, Hunan, Hupeh, Kiangsi, Nganhui, Kiangsu, brachte dadurch alles Land östlich des Tsekiang und südlich des Jangtse-kiang in die Gewalt seiner Parteigänger und nahm 19. März 1853 Besitz von Nanking, der alten Hauptstadt des Reichs.

Hier ließ er das Alte und Neue Testament in vielen Exemplaren drucken und leitete dem Christentum allen Vorschub, nahm aber selbst die Taufe nicht an. Er stellte sich vielmehr auf gleichen Fuß mit den Kaisern von China und Japan, mit dem Dalai Lama in Tibet und proklamierte sich als jüngerer Bruder von Christus. Nanking wurde als Tienking (»Himmelsresidenz«) Mittelpunkt des neuen Reichs.

Indessen fehlte es an fester Organisation und Disziplin; zwei Unternehmungen gegen Kaifong und Tientsin missglückten, und so vergingen mehrere Jahre, in welchen die Taiping, trotz einzelner Erfolge, doch im ganzen keine Fortschritte machten, zumal sie durch innere Streitigkeiten sich selbst schwächten.

Im Jahr 1858 waren sie aus einem Teil ihrer Positionen bereits verdrängt und konnten sich in Nanking mit Mühe behaupten.