Kunst

John Thomson, MalerMeyers Konversations-Lexikon, 1875

Beruf für die Kunst verraten die Chinesen nicht. Sie besitzen Geschick in Bildungen aus weicher Masse, dabei kann aber von einer ausdrucksvollen plastischen Darstellung des Körpers nicht die Rede sein, weil man von nackten Bildern nichts weiß, sondern das Ganze auf gefällige Herstellung der Kleiderhülle hinausläuft.

Die Gebilde ihrer Malerei treten schattenspielartig vor das Auge; alles wird mit ängstlicher Treue dargestellt, von perspektivischer Darstellung haben sie aber keinen Begriff. In besonderer Schätzung stehen leicht in Wasserfarbe und indischer Tusche hingeworfene Bilder auf feinem Papier oder auf Seide.

Als Meister zeigt sich der Chinese in der Gartenkunst, indem er die anmutigsten und geschmackvollsten Gruppierungen von Bäumen und Rasen zu Stande zu bringen weiß, obschon seine Vorliebe für das zwerghafte auch hier störend eingreift.

Die Baukunst der Chinesen steht ganz im Dienste des Bedürfnisses und trägt den Charakter der Einförmigkeit, Keine Religionsgemeinschaft hat architektonisch bedeutsame Tempel aufzuweisen.

Die Musik der Chinesen ist ganz unharmonisch, wiewohl ihre Instrumente zahlreich sind und aus Laute, Gitarre, Flöte und anderen Blasinstrumenten, dreisaitigen Geigen, einer Drahtharmonika, die mit zwei Bambusstäbchen geschlagen wird, Glocken, Trommeln, Pauken usw. bestehen (vgl. Plath, in den Sitzungsberichten der bayrischen Akademie der Wissenschaften, I, 116 ff.); für Akkorde, Melodie oder Harmonie haben sie gar kein Verständnis.

Dass man selbst tanze, statt sich vortanzen zu lassen, ist ihnen unbegreiflich.

Sehr große Liebhaber des Schauspiels sind alle Klassen der Bevölkerung, doch geht es dabei nicht ohne Gemeinheiten und Obszönitäten ab. Die Frauenrollen dürfen, seitdem der Kaiser Qianlong im 18. Jahrhundert eine Schauspielerin geheiratet hat, nur von Jünglingen gespielt werden. Die Schauspieler selbst aber sind nicht geachtet (s. oben).

Über die dramatischen Dichtungen der Chinesen Sowie über die Literatur derselben überhaupt s. Chinesische Sprache und Literatur.