Meyers Konversations-Lexikon, 1875
Die Staatsverfassung Chinas ist monarchisch und den Staatsgrundgesetzen nach, wie sie in den ersten vier Büchern des Konfutse enthalten sind, patriarchalisch; in Wirklichkeit ist die Regierung jedoch in eine Willkürherrschaft der Provinzvorstände ausgeartet.
An der Spitze steht der Kaiser, er wird als der Vater seines Volks betrachtet und besitzt über alle seine Untertanen unumschränkte Gewalt. Er ist geistliches Oberhaupt, wie viele europäische Herrscher es sind, zugleich höchster Richter und Anführer im Krieg.
Man verehrt den Kaiser in abgöttischer Weise, indem man sich in den Staub wirft, sobald er erscheint, ja sogar vor dem leeren Thron. Nie lässt er sich öffentlich sehen, ohne dass Scharen von Polizeidienern vorausgehen und eine ungeheure Leibgarde folgt.
Der gegenwärtige Kaiser hat eine erste Frau, die Kaiserin, zwei Nebenfrauen, 9 Frauen zweiten, 27 dritten Ranges und 81 Konkubinen. Das Recht der Nachfolge beruht nicht auf der Erstgeburt, sondern der Kaiser wählt sich seinen Nachfolger unter den Söhnen seiner ersten 3 Gemahlinnen; doch wird seine Wahl erst bei seinem Tode bekannt gemacht.
Die Mitglieder der kaiserlichen Familie genießen als solche keine besondere
Auszeichnung von Seiten des Staats. Die Regierung des Landes ist eine ziemlich
verwickelte. ![]()