Staatsverfassung  -- Ämter

GerichtssitzungMeyers Konversations-Lexikon, 1875

Die alte Verfassung hat sich, wenn auch modifiziert, erhalten; die gegenwärtige Regierungsform ist im wesentlichen unter den Ming (1368-1644) ausgebildet worden. Die chinesische Enzyklopädisten nennen eine Unmasse von Ämtern, und die Berichte der Reisenden bringen Amtsnamen aus der neuesten Zeit; allein nur in Umrissen lässt sich noch die Verwaltung dieses kolossalen Reichs darstellen, da die Begrenzung der Amtssphären schwierig ist und oft gar nicht angegeben wird.

Staats- und Hofämter werden in China nicht geschieden, auch Zivil- und Militäranstellungen sind nicht streng gesondert, die beiden Gewalten sind oft in eine Hand gelegt; für die Kultur- und Unterrichtsanstalten bestehen besondere Behörden. Die oberste Leitung der Verwaltung steht der "innern Ratskammer" (Neige) von 4 Mitgliedern (2 von tatarischer, 2 von chinesischer Abkunft) nebst 2 Assistenten aus dem großen Kollegium Hanlin (gegründet 750 n. Chr.) zu; sie hat darüber zu wachen, dass nichts unternommen werde, was gegen die in den heiligen Büchern des Konfutse enthaltenen Fundamentalgesetze des Reichs verstößt.

Unter den Befehlen dieser Mitglieder arbeiten die sechs Regierungsabteilungen, welche die inneren Angelegenheiten besorgen. Es sind dies die sechs Tribunale (Liubu): für Zivilbeamte, deren Ernennung usw.; für Finanzen (das Zollwesen untersteht dem auswärtigen Amt); für Gebräuche und Zeremonien; für Kriegswesen; für Strafsachen; für öffentliche Arbeiten.

Für die Nebenländer (Mongolei usw.) besteht das Fremdenamt (Lifanyuan). Im Jahr 1860 wurde das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten eingesetzt, dem die von Europäern geleiteten Anstalten unterstellt sind.

An die Generalverwaltung berichtet der "Rat der öffentlichen Zensoren" (Tutschejuen). Diese höchst merkwürdige Institution zählt 40-50 Mitglieder unter 2 Präsidenten (der eine von chinesischer, der andere von tatarischer Abkunft). Ihre Mitglieder besitzen das Vorrecht, gegen jede Regierungsmaßregel auf politischem wie wirtschaftlichem Gebiet zu remonstrieren und dem Kaiser Gegenvorstellungen zu machen. Dieser Rat hat seine Vertreter in jeder Provinz, die teils den Sitzungen der Provinzialbehörden anwohnen, teils die Provinz bereisen und über ihre Wahrnehmungen an den Rat berichten.

Die Provinzialverwaltung wird von allgemeinen und Fachstellen aus besorgt. Für die 18 Provinzen gibt es 6 Generalgouverneure oder Vizekönige (Tsungtu), die je über 2, einer über 3 Provinzen gebieten; in den übrigen Provinzen ist ein Gouverneur die oberste Zivilstelle (vgl. "Zeitschrift für Erdkunde"1867, S. 312).

Die Militärgeschäfte besorgt ein Mandschugeneral, in kritischen Zeiten wird der Gouverneur auch zum Militärchef ernannt.

Das Finanzwesen leitet ein Schatzmeister; der Justiz steht der Provinzialrichter vor, der seine Sitzungen zeitweise auf Rundreisen abhält: eigene Behörden sind bestellt für die Prüfungen der Gelehrten, für Ackerbau, Postwesen, Accisen, Salzmonopol usw.