Meyers Konversations-Lexikon, 1875
Die Sprache der Chinesen besteht aus einsilbigen Wörtern. Bildung der Wörter aus den Wurzeln derselben, wie in unseren Sprachen, ist dem Chinesischen vollkommen fremd; die bestimmte Bedeutung der Worte im Satz wird durch ihre Stellung hervorgebracht, welche strengen Gesetzen unterworfen ist. Diese im Prinzip überall gleiche Sprache zerfällt in eine Volkssprache, eine Schriftsprache und eine Umgangssprache. Die Volkssprache besteht aus zahlreichen Dialekten, welche in Aussprache und Artikulation So sehr von einander abweichen, dass die Angehörigen einer Provinz die einer andern oft kaum verstehen. In der Schriftsprache muss eine ältere und neuere Periode unterschieden werden. Die Umgangssprache ist der kuanhua (»gemeinsame Verkehrssprache«); er ist das Idiom des Hofs, der Beamten und der gebildeten Klassen; erbildet aber in seinen wesentlichsten Formen auch die gemeine Volkssprache unter den Bewohnern der nördlich vom Jangtsekiang gelegenen Provinzen, ferner in Ssetschuan,
Jünnan, Kueitscheu uns in einigen Teilen von Hunan und Kuangsi. In diesem
weiten Gebiet fehlt es zwar nicht an großen Lautverschiedenheiten und
Lokalnamen dafür; aber die Lautverwandtschaft ist hier doch groß genug, um
diese Lautsysteme unter einem gemeinsamen Namen zusammenzufassen (vgl.
Chinesische Sprache und Literatur). ![]()