Jerolim von Benko, 1892
Die telegraphische Verbindung
Shanghais lässt nunmehr, da zwei Linien nach Europa führen, die Yangtsekiang-
und die an der See gelegenen anderen Vertragshäfen, sowie die Reichshauptstadt
mit Shanghai durch den elektrischen Draht verbunden sind, kaum mehr etwas zu wünschen
übrig.
In postalischer Beziehung hat Shanghai beinahe zuviel des
Guten, da es hier eine englische, französische, amerikanische, deutsche,
japanische und endlich eine Lokalpost,
sowie eine eigene Postanstalt der kaiserlichen Zollämter gibt. Aus der
letzteren mag sich wohl mit der Zeit eine eigene chinesische Postanstalt für
den Verkehr mit dem Auslande entwickeln; aber bisher halten die Fremden zäh an
der Benützung ihrer eigenen, alles Vertrauen vollauf verdienenden Postbureaus
fest.
Eine Eisenbahn,
die erste auf chinesischem Boden, hat nach Überwindung endloser, von der
chinesischen Regierung bereiteten Schwierigkeiten, im Jahre 1876 zwischen
Shanghai und Woosung ihre Fahrten eröffnet. Die chinesische Bevölkerung gewöhnte
sich rascher als man es vermutet hatte, an die Benützung dieses Teufelswerkes.
Vielleicht hat dies dazu beigetragen, dass die Regierung, ihre endliche
Nachgiebigkeit bereuend, die Eisenbahn, nachdem dieselbe 16 Monate hindurch in
Betrieb gestanden hatte, ankaufen und zerstören ließ. Das Material wanderte
nach Formosa, wo es Jahre hindurch unbenutzt liegen blieb.
Einen ähnlichen, wenn auch nicht so energischen
Widerstand, wie gegen die Einführung der Eisenbahnen, setzt die chinesische
Regierung der Einbürgerung europäischer Industrien in größerem Maßstabe
entgegen. In Shanghai wäre Raum und Gelegenheit zur Einführung manchen solchen
Industriezweiges mit guten Erfolgschancen reichlich vorhanden, aber die Chinesen
wissen dies zu vereiteln. Sie haben eben nur den scharfen Blick für die nächste
Zukunft, in welcher das Eindringen europäischer Maschinenarbeit, für eine
gewisse Zeit, Millionen von Arbeitern schädigen würde; der Glaube an eine
fernere Zukunft, in welcher das modern-industrielle China den Weltmarkt
beherrschen könnte, fehlt ihnen eben zur Stunde noch. Ob mit Recht oder
Unrecht, mag dahinstehen.
Gleichwohl ist in einem unentbehrlichen Zweige der
industriellen Tätigkeiten in Shanghai für die vorhandenen Bedürfnisse
vollkommen ausreichend gesorgt, nämlich in jenem Zweige, welcher bestimmt ist,
den Anforderungen der großen Schifffahrt dieses
Welthafens zu entsprechen. Vier Docks von größeren Dimensionen sind für
Schiffsreparaturen zur Verfügung, und stehen in Verbindung mit Etablissements
der Schiffbau-Industrie, welche nicht allein für Schiffe und Maschinen aller Größen
die erforderlichen Herstellungsarbeiten, sondern auch ansehnliche selbständige
Neubauten zu unternehmen vermögen. Nach dem detaillierten Berichte, welchen
Linienschiffskapitän Müller über die technischen Etablissements der New Dock
Company und über jene der Firma S. C. Farnham & Co. (Old Dock Company)
erstattet hat, sind diese Etablissements als komplette, wohleingerichtete
Konstructionsarsenale zu bezeichnen, welche
reichlich eingerichtete Werkstätten besitzen, tausende von Arbeitern beschäftigen,
und jeder an sie herantretenden Aufgabe vollständig gewachsen sind. Erwähnenswert
ist, dass die Shanghaier Docks in dem weichen Erdreiche ausgegraben, aber nicht
ausgemauert, sondern mit Holz ausgezimmert sind.
Der großartige Schiffsverkehr des Hafens von Shanghai,
gegenwärtig zu weitaus größtem Teile von Dampfschiffen unterhalten, welche häufige
Deckungen viel nötiger haben als Segelschiffe, bringt es mit sich, dass selten
eines der hier befindlichen Docks leer steht.