Shanghai: Kommunikation und Verkehr
Nautilus: 28. Mai bis 11. Juni 1885

Suzhou Creek

Jerolim von Benko, 1892

Die telegraphische Verbindung Shanghais lässt nunmehr, da zwei Linien nach Europa führen, die Yangtsekiang- und die an der See gelegenen anderen Vertragshäfen, sowie die Reichshauptstadt mit Shanghai durch den elektrischen Draht verbunden sind, kaum mehr etwas zu wünschen übrig.

In postalischer Beziehung hat Shanghai beinahe zuviel des Guten, da es hier eine englische, französische, amerikanische, deutsche, japanische und endlich eine Lokalpost, sowie eine eigene Postanstalt der kaiserlichen Zollämter gibt. Aus der letzteren mag sich wohl mit der Zeit eine eigene chinesische Postanstalt für den Verkehr mit dem Auslande entwickeln; aber bisher halten die Fremden zäh an der Benützung ihrer eigenen, alles Vertrauen vollauf verdienenden Postbureaus fest.

Eine Eisenbahn, die erste auf chinesischem Boden, hat nach Überwindung endloser, von der chinesischen Regierung bereiteten Schwierigkeiten, im Jahre 1876 zwischen Shanghai und Woosung ihre Fahrten eröffnet. Die chinesische Bevölkerung gewöhnte sich rascher als man es vermutet hatte, an die Benützung dieses Teufelswerkes. Vielleicht hat dies dazu beigetragen, dass die Regierung, ihre endliche Nachgiebigkeit bereuend, die Eisenbahn, nachdem dieselbe 16 Monate hindurch in Betrieb gestanden hatte, ankaufen und zerstören ließ. Das Material wanderte nach Formosa, wo es Jahre hindurch unbenutzt liegen blieb.

Einen ähnlichen, wenn auch nicht so energischen Widerstand, wie gegen die Einführung der Eisenbahnen, setzt die chinesische Regierung der Einbürgerung europäischer Industrien in größerem Maßstabe entgegen. In Shanghai wäre Raum und Gelegenheit zur Einführung manchen solchen Industriezweiges mit guten Erfolgschancen reichlich vorhanden, aber die Chinesen wissen dies zu vereiteln. Sie haben eben nur den scharfen Blick für die nächste Zukunft, in welcher das Eindringen europäischer Maschinenarbeit, für eine gewisse Zeit, Millionen von Arbeitern schädigen würde; der Glaube an eine fernere Zukunft, in welcher das modern-industrielle China den Weltmarkt beherrschen könnte, fehlt ihnen eben zur Stunde noch. Ob mit Recht oder Unrecht, mag dahinstehen.

Gleichwohl ist in einem unentbehrlichen Zweige der industriellen Tätigkeiten in Shanghai für die vorhandenen Bedürfnisse vollkommen ausreichend gesorgt, nämlich in jenem Zweige, welcher bestimmt ist, den Anforderungen der großen Schifffahrt dieses Welthafens zu entsprechen. Vier Docks von größeren Dimensionen sind für Schiffsreparaturen zur Verfügung, und stehen in Verbindung mit Etablissements der Schiffbau-Industrie, welche nicht allein für Schiffe und Maschinen aller Größen die erforderlichen Herstellungsarbeiten, sondern auch ansehnliche selbständige Neubauten zu unternehmen vermögen. Nach dem detaillierten Berichte, welchen Linienschiffskapitän Müller über die technischen Etablissements der New Dock Company und über jene der Firma S. C. Farnham & Co. (Old Dock Company) erstattet hat, sind diese Etablissements als komplette, wohleingerichtete Konstructionsarsenale zu bezeichnen, welche reichlich eingerichtete Werkstätten besitzen, tausende von Arbeitern beschäftigen, und jeder an sie herantretenden Aufgabe vollständig gewachsen sind. Erwähnenswert ist, dass die Shanghaier Docks in dem weichen Erdreiche ausgegraben, aber nicht ausgemauert, sondern mit Holz ausgezimmert sind.

Der großartige Schiffsverkehr des Hafens von Shanghai, gegenwärtig zu weitaus größtem Teile von Dampfschiffen unterhalten, welche häufige Deckungen viel nötiger haben als Segelschiffe, bringt es mit sich, dass selten eines der hier befindlichen Docks leer steht.