Shanghai: Zeitungen
Nautilus: 28. Mai bis 11. Juni 1885

 Jerolim von Benko, 1892

Der schnellen Verbreitung lokaler Nachrichten, der wichtigen Handelstelegramme u.s.w. dienen vier täglich erscheinende Zeitungen: die North China Daily News, der Shanghai-Courier und Shanghai Mercury, welche in englischer, und der Ostasiatische Lloyd, welcher in deutscher Sprache erscheint. Diesen schließen sich zwei außerordentlich fleißig gelesene billige chinesische Tagesblätter, Shun-Pao und Hu-Pao, sowie vier englische Wochenschriften an. Die letzteren führen die Namen China Herold, Celestial Empire, Cathay Post und Temperance Union.

Die beiden erwähnten chinesischen Zeitungen haben Europäer als Eigentümer und Herausgeber. Der Hu-Pao wird von der Redaktion des North China Herald, der Shun-Pao (Shen-Pao) von Herrn Major*, Besitzer einer bedeutenden chinesischen Druckerei zu Shanghai, herausgegeben. Beide Blätter können als der Ausdruck der öffentlichen Meinung im gebildeten Teile der chinesischen Einwohnerschaft Shanghais angesehen werden. Obwohl, wie gesagt, Eigentum von Europäern, stehen diese Blätter in politischen Fragen durchaus nicht immer einseitig auf dem Standpunkte der Fremden, und vielleicht ist dieser Unparteilichkeit der günstige fortschrittliche und zivilisatorische Einfluss dieser Blätter zu danken. Der Shen-Pao erreicht einen Absatz von 12.000—13.000 Exemplaren; so billig das einzelne Blatt ist (10 Cash), so wird dasselbe doch noch von einem Leser an den anderen mehrere Male weiter verkauft, bevor es endlich — zu ganz minimalem Preise — von subalternen Postagenten erstanden wird, welche dasselbe dann in die Provinzen versenden, und damit noch gute Geschäfte machen. Auch der Hu-Pao ist, besonders in der Provinz, sehr verbreitet.


*) Mr. B. Major hat vor zehn Jahren zuerst die Photolithographie für den Druck chinesischer Werke — die in Typendruck äußerst schwierig herzustellen sind — in größerem Maßstabe eingeführt. Gegenwärtig gibt es schon acht chinesische Druckereien in Shanghai, welche das gleiche Verfahren anwenden. Auch das Stereotypverfahren wurde von Mr. Major mit Erfolg für die Herstellung von umfangreichen Enzyklopädien und Wörterbüchern angewendet. Der Umfang, welchen chinesische wissenschaftliche Sammelwerke oft erreichen, ist ein enormer, denn der angehende Gelehrte muss alles lesen, was die Klassiker früherer Zeiten geschrieben haben, und er muss es genau so und in demselben Umfange lesen, wie es geschrieben worden ist. So ist z. B. ein literarisches Sammelwerk, welches im 17. Jahrhunderte unter kaiserlichem Patronate herausgegeben wurde, und welches dem auf höhere Grade aspirierenden Gelehrten unentbehrlich ist, aus nicht weniger als 6000 Bänden zusammengesetzt. Mr. Major hat dieses Werk neu aufgelegt, und es ist ihm gelungen, dasselbe auf den — vergleichsweise ganz handlichen — umfang von 1800 Bänden zu reduzieren. Im Jahre 1887 wurde der Druck dieses Kolossalwerkes beendigt.