Meyers Konversations-Lexikon, 1875
Indessen sammelten sich im Sommer 1857 neue
englische Streitkräfte, zu denen wegen fortgesetzter Verfolgung aller Europäer diesmal auch französische kamen.Die französische Flotte, die im August in den chinesischen Gewässern erschien, wurde vom Admiral Rigault de Genouilly, die ansehnliche englische Flotte, die Ende November vor Kanton eintraf, von dem Kontreadmiral Seymour befehligt. Die Landungstruppen betrugen etwa 8000 Mann, Russland und Nordamerika waren nicht in aktiver Weise beteiligt.
Es wurde nun ein gemeinsames Vorschreiten gegen das Reich der Mitte beschlossen. Yeh, der Oberstatthalter der Provinzen Kuang-tung und Kuangsi, hatte zwar die völlige Vernichtung des »Barbarengezüchts« in Aussicht gestellt, vermochte aber zur Augführung dieses Versprechens keine hinreichende Truppenmacht zusammenzubringen. Neue Versuche der Verbündeten, eine gütliche Erledigung der obschwebenden Differenzen herbeizuführen, scheiterten an dem Stolz des Statthalters, und so wurden denn 12. Dezember Fluss und Hafen von Kanton in Blokadezustand erklärt. Am 28. Dezember begann die Beschießung Kantons, welches dadurch furchtbar litt, und Schon am 29. musste sich die Stadt, nachdem die auf 40,000 Mann geschätzte bewaffnete Macht geflohen war, den Verbündeten ergeben. Der Oberstatthalter Yeh und mehrere hohe Staats- und Militärbeamte wurden gefangen genommen. Angeknüpfte Unterhandlungen mit dem gefangenen Yeh hatten zur Folge, dass schon am 9. Januar 1858 die früheren Behörden wieder in ihr Amt eingesetzt werden konnten; jedoch wurden sie der Aufsicht dreier Kommissäre der Verbündeten unterstellt; erst nach Abschluss der neuen Verträge sollte Kanton von den Verbündeten geräumt werden.
Lord Elgin und Baron Gros, die Vertreter Englands und Frankreichs, sowie Graf Putjatin und Reed, die Bevollmächtigten von Petersburg und Washington, hatten inzwischen in Schanghai vergeblich auf Beantwortung der von ihnen an den Hof zu Peking erlassenen Zuschriften gewartet, fuhren daher im April 1858 zum Golf von Petscheli hinauf und erließen von der Mündung des Peiho aus mahnende und drohende Botschaften nach Peking, auf deren Beantwortung sie in Taku, einige Meilen land einwärts, warteten, um hier mit chinesischen Kommissären die Bedingungen der neuen Verträge festzustellen.
Da die Kommissäre nicht eintrafen, so begann am 20. Mai der Angriff der
Verbündeten auf die Forts von Taku, und nach zweistündigem Kampf wurden diese
genommen. Darauf fuhren die Verbündeten ungehindert stromaufwärts bis Tiantsin,
dem Hafen von Peking. Jetzt erst unterwarf sich der durch die Nähe der Gefahr
eingeschüchterte Hof und nach kurzen Unterhandlungen wurde ein vierfacher Vertrag, zuerst mit den neutralen,
dann mit den kriegführenden Mächten (26. und 27. Juni) abgeschlossen, dessen
Ratifikation spätestens nach Ablauf eines Jahrs in Peking selbst erfolgen
sollte. In Zukunft sollten europäische Gesandte nach Peking kommen dürfen; die
Ausübung des Christentums sollte ungehindert sein; an England sollten 8, an
Frankreich 4 Mill. Thlr. Kriegskosten bezahlt werden.