Meyers Konversations-Lexikon, 1875
Als 1834 die Ostindische Kompagnie ihr Monopol verlor und der Handel mit China allen Bewohnern Großbritanniens freigegeben wurde, musste der stärkere Zuzug neuer Firmen die Schwierigkeiten vermehren und Zwiste hervorrufen; doch wurde erst die von China verbotene, von der britisch-indischen Regierung dagegen begünstigte Einfuhr von Opium ein ernster Anlass zum Zwist.
Wegen seiner Einträglichkeit hatte sich die Ostindische Kompagnie des von der chinesischen Regierung verbotenen Opiumhandels bemächtigt und betrieb diesen auf dem Weg des Schmuggels. Im Jahr 1834 wurde von der englischen Regierung an Stelle des bisherigen Vorstandes der Ostindischen Kompagnie Lord Napier nach Kanton abgesandt mit Instruktionen, die ihm ein entschiedenes Auftreten der chinesischen Regierung gegenüber empfahlen.
Am 15. Juli 1834 landete Napier in Macao. Da er aber durchaus eigenmächtig verfuhr und die chinesische Regierung ganz ignorierte, so sah der Gouverneur hierin eine Übertretung der bestehenden Gesetze, drang, freilich vergeblich, auf die sofortige Abreise des Lords, erließ 2. Sept. ein Edikt, worin die vorläufige Einstellung des britischen Handels verfügt wurde, und schnitt Lord Napier und seinem Gefolge alle Zufuhr ab. Dieser ließ hierauf zwei Kriegschiffe in den Fluss einlaufen, um die englischen Untertanen und ihr Eigentum zu schützen. Schließlich fand sich aber Lord Napier veranlasst, nachzugeben, und reiste nach Macao ab, wo er 11. Okt. 1834 starb.
Nachdem unter Francis Davis und Robinson sich ein leidliches Verhältnis hergestellt hatte, wurde 1836 Kapitän Elliot zum Oberaufseher des Chinahandels ernannt. Da der Opiumschmuggel immer offener betrieben wurde, so erschien ein kaiserlicher Bevollmächtigter mit einem Edikt vom 18. März 1839 in Kanton und bedeutete die Fremden, dass sie danach alles an Bord der Schiffe befindliche Opium auszuliefern hätten.
Am 24. begab sich der britische Bevollmächtigte, Kapitän Elliot, nach Kanton, konnte aber nicht hindern, dass der ganze Faktoreibezirk von allem Verkehr abgeschnitten und förmlich in Blockade-Zustand versetzt wurde, und erließ daher 27. Mai eine Note an die in Kanton befindlichen Kaufleute, worin er sie aufforderte, alles in ihrem Besitz befindliche Opium ihm sogleich, behufs der Auslieferung an die chinesische Regierung, zu übergeben.
Es wurden demgemäß 20,203 Kisten Opium, im Wert von 2,500,000 Pfund Sterling, den chinesischen Behörden auggeliefert. Die englischen Kaufleute schifften sich darauf nach Macao ein; die Rückkehr ward ihnen für immer verboten und die Opiumeinfuhr für alle Zukunft mit dem Tode bedroht.
Kapitän Elliot erließ darauf eine Deklaration, in welcher er den englischen Kaufleuten den Rat gab, ihre Geschäfte mit den Chinesen so lange ruhen zu lassen, bis er die Verhaltungsbefehle aus England empfangen habe.
Aus Anlass der Tötung eines Chinesen durch englische Matrosen verlangte der kaiserliche Kommissär die Auslieferung des Schuldigen; infolge davon kam es 2. Nov. in der Hongkongbai zu einem Seegefecht, in welchem die Chinesen unterlagen.
Ein kaiserliches Edikt vom 5. Jan erklärte darauf die Engländer für außerhalb des Gesetzes, hob allen Handel mit ihnen für immer auf und bedrohte auch jedes andere Volk, welches sich der Verführung ihrer Ware unterziehen wollte mit den härtesten Strafen.
Das englische Ministerium Melbourne schritt nun zu ernsten Maßregeln, doch ward ein förmlicher Krieg nicht gewünscht und so wurden vorerst 3000 Mann auf 3 Linien schiffen, 2 Fregatten, 4 kleineren Schiffsfahrzeugen und 4 bewaffneten Dampfschiffen unter dem Admiral Sir George Elliot abgeschickt.
Am 21. Juni langte Sir Gordon Bremer, dem der interimistische Oberbefehl übertragen worden, vor Macao an, verfügte die Blockade der Stadt Kanton und des Stroms und segelte am 23. mit dem Rest seiner Flotte nach dem Norden, um die Insel Tschusan zu besetzen.
Fünf Tage Später brachte der Oberkommandant Sir George Elliot Verstärkungen, und nach wenigen Tagen erschien die englische Flotte an der Küste von Tschekiang und Wusung, während Bremers Geschwader 4. Juli auf der Höhe von Tschusan angelangt war und vor Tinghai, der Hauptstadt der Insel, Anker geworfen hatte, wo man nur schwachen Widerstand fand. Die Festungswerke des, Hauptorts der kleinen Insel Amoy wurden zusamengeschossen und eine Anzahl Kriegsdschunken in den Grund gebohrt; die Bocca-Tigris wurde fortwährend blockiert.
Als der Kapitän Elliot ein Schreiben Lord Palmerstons an den Kaiser zu Ningpo offen zurückerhielt, wurden Ningpo und Schanghai nebst allen Häfen bis an den Ausfluss des Jangtsekiang in Blockadezustand erklärt. Die Einnahme eines Forts von Macao und die Einfahrt eines Dampfers samt den Booten aller Kriegsschiffe in den Peihofluss schüchterte jedoch die Chinesen ein, so dass sie sich zur Annahme des Schreibens bequemten.
Die hierauf angeknüpften Unterhandlungen, welche Elliot zur Rückkehr nach Kanton bewogen, waren übrigens von den Chinesen nicht ernstlich gemeint. Weitere Unterhandlungen wurden mit dem kaiserlichen Kommissär Kheschan angeknüpft; da sich aber bald zeigte, dass die Nachgiebigkeit der Chinesen nur eine Kriegslist gewesen, begab sich der Admiral Elliot von der Insel Tschusan nach dem Kantonfluss.
Als ein kaiserliches Edikt die Ausrottung der Barbaren befahl, griffen die Engländer 7. Jan. 1841 die beiden Forts an der Tigermündung an und eroberten sie nach kurzem Kampf. Schon bereiteten sie sich vor, auch die anderen Forts am Einfluss des Tschukiang (Perlenflusses) und das Fort auf der Tigerinsel anzugreifen, als der Befehlshaber von Amonghoi um Waffenstillsland bat, bis er von Peking weitere Anweisung erhalte.
Die danach wieder eröffneten Unterhandlungen führten zu einem Präliminarvertrag, zufolge dessen der Kaiser die Insel Hongkong an die Engländer abtrat, sich zu einer Geldentschädigung von 6 Mill. Doll., in sechs Jahren zahlbar, verpflichtete und die offiziellen Beziehungen der beiden Staatsregierungen auf den Fuß einer vollkommenen Gleichheit stellte, wogegen England die Insel Tschusan räumen sollte.
Elliot säumte nicht, letzteres zu tun. Die Ratifikation des Vertrags wurde jedoch von der chinesischen Regierung unter nichtigen Vorwänden verzögert; daher eröffnete Elliot 24. Februar die Feindseligkeiten von neuem.
Sechs englische Schiffe griffen das Fort Nordwantong an, während zu gleicher Zeit das Fort Amonghoi beschossen ward. In kurzer Zeit wehte auf allen Forts die britische Flagge, und binnen wenigen Tagen befand sich der Strom bis Kanton in der Gewalt der Engländer.
Eine Ausnutzung aller Erfolge fand indessen nicht statt. Am 20. März verkündete zwar Elliot den Abschluss eines Waffenstillstands zwischen ihm und dem neuen kaiserlichen Kommissär Jang; unmittelbar darauf langte aber eine neue kaiserliche Proklamation gegen die Engländer in Kanton an, wonach aller Verkehr mit den Engländern abgebrochen werden und ein Korps von 8000 Mann der besten Truppen zur Wiedereroberung der Stadt Kanton und zur Vertreibung; der Barbaren von der Küste ansrücken sollte, auch auf die Köpfe der englischen Befehlshaber hohe Preise gesetzt wurden.
Wieder segelte die Flotte mit den Landungstruppen unter dem Oberbefehl Sir Hugh Goughs den Strom hinauf, und schon waren die beiden im Westen der Stadt Kanton gelegenen Forts genommen, und es sollte zum Angriff der Stadt geschritten werden, als sich die geängstigte chinesische Regierung anheischig machte, an England binnen einer Woche 6 Mill. Dollars zu zahlen; die englischen Truppen sollten in ihrer Stellung bleiben alle auf dem Fluss weggenommenen chinesischen Fahrzeuge sollten zurückgegeben, aber entwaffnet werden desgleichen die Forts; die durch die Plünderung der Faktoreien usw. entstandenen Verluste sollten binnen Wochen erstattet werden.
Obwohl bis zum 1. Juni 5 Mill. gezahlt wurden, so ward doch noch in demselben Monat das Benehmen der chinesischen Behörden abermals sehr verdächtig, und Elliot beabsichtigte schon eine neue Expedition gegen Amoy, als von England die Nachricht von der Ernennung Sir Henrty Pottingers zum alleinigen britischen Bevollmächtigten in China und des Admirals Sir William Parker zum Oberbefehlshaber der Truppen eintraf. Kommandant der Landtruppen war Sir Hugh Gough.
Am 8. August kam Pottinger mit einer Anzahl großer Transportschiffe, welche Landungstruppen führten, zu Macao an, erließ eine förmliche Kriegserklärung und segelte 21. August mit der Flotte von Hongkong nordwärts. Seine Macht bestand aus 9 Kriegsschiffen, 4 Kriegsdampfbooten und 21 Transportfahrzeugen mit einer Landmacht von mehr als 2000 Mann.
Die Operationen wurden jetzt energischer in Angriff genommen; 26. Aug. 1841 wurde Amoy besetzt, wobei 500 Geschütze in die Hände der Engländer fielen; am 29. lief die Flotte in den Hafen von Tschusan ein, und trotz des tapfern Widerstandes der Chinesen wurden Anfang Oktober die Batterien des Tempelhügels genommen, die Mauern der Stadt ohne Widerstand erstiegen und beträchtliche Beute an Geschützen, Munition, Reis usw. gemacht.
Schwächern Widerstand leisteten die Chinesen 7. Oktober bei Tschinghai, und am 13. wurde auch die Stadt Ningpo, mit einer Bevölkerung von 300,000 Seelen, ohne Schwertstreich genommen.
Trotzdem Befanden sich die Engländer zu Ningpo in einer bedenklichen Lage. Um in das Innere des Landes, nach Peking, vorzurücken, wie es in Pottingers Absicht lag, dazu war die Jahreszeit zu weit vorgeschritten und die britische Streitmacht zu gering. Die Chinesen verrammelten die obere Barre der Bocca Tigris. Zugleich wurden Geschütze nach europäischer Weise gegossen, in deren Handhabung europäische Matrosen den Chinesen Unterricht gaben.
Der Kaiser erließ fortwährend grimmige Ausrottungsedikte gegen die rebellischen »rotborstigen« Barbaren, die in Ningpo wie in einem Netz gefangen lägen und dem Zorn des Himmelssohnes nicht mehr entrinnen könnten.
Das zum Angriff auf Tschinghai und Ningpo bestimmte chinesische Heer betrug angeblich nicht weniger als 80,000 Mann, denen die Engländer nur 2000 Mann entgegenzusetzen hatten. Die Chinesen zogen zwar in den sich entspinnenden Gefechten wieder den Kürzern; aber auch die Engländer sahen sich durch Mangel an Streitkräften genötigt, die Feindseligkeiten einzustellen.
Pottinger begab sich im Mai 1842 nach Hongkong, um dort Anordnungen für den weitern Feldzug zu treffen.
Die englische Flotte bestand jetzt aus 35 Kriegsschiffen, 6 bewaffneten Transportfahrzeugen, 19 Dampf booten und 50 Transportschiffen. Das Gros der Flotte segelte 11. Mai nach dem Fluss Tsientang, erstürmte die Stadt Tschapu, lief im Juni in den Jangtsekiang ein, nahm am 19. die Stadt Schanghai im Sturm, hierauf 26. Juli nach blutigem Kampf die Stadt Tschingkiangfu. Mit Zurücklassung einer starken Besatzung segelte die Flotte weiter gegen Nanking, wo sie 6. August eintraf und sofort Anstalten machte, die dem Strom zugekehrte Seite der Stadt zu bombardieren. Die Furcht vor einem Bombardement und die Überzeugung, dass fernerer Widerstand vergeblich sei, veranlassten jetzt den Kaiser zu ernstlichen Unterhandlungen.
In dem Vertrag vom 29. Aug. 1842 machte sich China. verbindlich, in diesem und den drei folgenden Jahren 21 Mill. Dollars zu zahlen, die Häfen Kanton, Amoy, Fntschau, Ningpo und Schanghai dem britischen Handel zu öffnen, britische Konsularagenten daselbst zuzulassen und regelmäßige und billige Tarife der Ein- und Ausgangszölle sowie auch der Transitzölle für das innere Land festzusetzen, die Insel Hongkong für alle Zeit den Engländern abzutreten und die Inseln Tschusan und Kolangfu ihnen als Pfand zu überlassen.
Die Friedensverträge wurden von den beiderseitigen Regierungen ratifiziert und ausgetauscht. Das Monopol der Hong-Kaufleute erlosch mit 27. Juli 1843.
Die oben genannten 5 Häfen aber wurden auf Antrag Chinas dem Handel aller Nationen geöffnet, obwohl die Engländer die Eröffnung nur für sich bedungen hatten.