Verhältnis zu Europa

Meyers Konversations-Lexikon, 1875

Da von dieser Zeit an China mit europäischen Völkern öfter in Berührung tritt als früher, so erscheint es zweckmäßig hier eine übersichtliche Darstellung der Verhältnisse des Reichs der Mitte zu Europa nachzuholen.

Schon um Christi Geburt hatten die Chinesen nicht bloß Handelsverbindungen, sondern auch diplomatische Beziehungen mit den Römern angeknüpft; chinesischen Schriftstellern des Altertums ist die römische Zivilisation nicht unbekannt. Unter Marc Aurel kamen, wie schon erwähnt, römische Gesandte über Tonkin nach China.

Im 6. Jahrhundert scheinen nestorianische Christen bis zu Chinas Ostküsten vorgedrungen zu sein;

im 9. Jahrhundert soll eine Stadt in der Küstenprovinz Tschekiang von zahlreichen fremden Handelsleuten bewohnt gewesen sein.

Im 13. Jahrhundert führten katholische Missionäre und die Gesandten Ludwigs des Heiligen und des Papstes Innozenz IV. die beschwerliche Reise nach China aus. Ruysboek, bekannter unter dem Namen Rubruquis, begab sich an den Hof des Mongolenherrschers, und 1274 führte der Venetianer Marco Polo seine Reisen in China aus.

Ende des 14. Jahrhunderts wurden durch die inneren Zwistigkeiten die Beziehungen zum Westen unterbrochen.

Aber im Anfang des 16. Jahrhunderts wurde der Seeweg nach China entdeckt und auch alsbald benutzt.

1517-45 hatten die Portugiesen einen Handelsplatz zu Ningpo; sie wurden war vertrieben, setzten sich aber bald wieder in Macao fest. Im Jahr 1651 wurden die Bewohner dieser Kolonie als Untertanen der Dynastie der Mandschu aufgezeichnet und unter Aufsicht eines Beamten gestellt, ohne dessen Erlaubnis sie weder neue Kirchen noch neue Häuser bauen durften.

Die Spanier genossen ebenfalls das Recht, nach Macao sowie nach Kanton und Amoy Handel zu treiben.

Die Holländer erschienen 1607 zum erstenmal vor Macao, ließen sich 1620 auf Formosa nieder und erhielten Handelsfreiheit gegen das Versprechen, sich auf diese Insel zu beschränken, mussten sie aber 1662 wieder räumen.

Neue Gesandtschaften erreichten wenigstens Wiederanknüpfung der Handelsverbindungen.

Den Russen, den nächsten Grenznachbarn der Chinesen, wurde 1646 der Handelsverkehr unter erschwerenden Bedingungen gestattet. Bald darauf kam es wegen Grenzstreitigkeiten zu feindseligen Berührungen, die endlich 1688 durch eine zweite russische Gesandtschaft ausgeglichen wurden. Eine Gesandtschaft Peters des Großen erlangte für die Russen die Erlaubnis, jährlich einmal nach Peking zu kommen, sowohl des Handels wegen, als auch um den schuldigen Tribut in Geschenken zu entrichten. Im Jahr 1805 machte Russland den Versuch, auch zur See eine Verbindung mit China anzuknüpfen; ein chinesisches Edikt aber verbot Russland jeden Handel mit China, außer zu Lande, und beschränkte diesen auf Kiachta.

Frankreich trieb seit 1660 einen lebhaften und ergiebigen Handel nach China, der jedoch infolge der Revolutionskriege eine längere Unterbrechung erlitt.

Über die Deutschen gibt uns die Geschichte Kantons von dem ehemaligen Gouverneur Juen folgende Notizen:

»Die Bewohner des Reichs des Adlerpaars (Österreich) fuhren zum erstenmal durch die Tigermündung im 45. Jahr Kienlung (1781) und heißen Taschen oder Deutsche. Sie haben die Religion des Herrn des Himmels angenommen. In Sitten und Gewohnheiten sind sie von den Portugiesen nicht verschieden. Die Preußen (die Bewohner des Reichs des einfachen Adlers) fuhren zum erstenmal durch die Tigermündung im 52. Jahr Kienlung (1788)«.

Die Engländer konnten längere Zeit keine Aufnahme finden; erst 1670 wurde ein für sie nicht ungünstiger Vertrag abgeschlossen. Schon 1687 gaben sie jedoch ihre Niederlassungen auf Formosa wieder auf, und 1693 wurden sie auch von Ningpo und Amoy ausgeschlossen. Von da an blieben sie auf Kanton beschränkt, durften aber auch hier mit Chinesen nicht in direktem Verkehr treten, sondern mussten sich der privilegierten chinesischen Kompagnie der Hong Chinesen als Vermittler bedienen.

Die Gesandtschaften von 1792 und 1816 suchten vergeblich Aufhebung dieser Beschränkung und Eröffnung anderer Häfen zu erwirken.