Alte Geschichte

Meyers Konversations-Lexikon, 1875

Die Chinesen selbst erklären sich für ein ursprüngliches Volk ihres Landes; am nächsten fielen sie den Völkern von Tibet und Hinterindien, es scheidet sie jedoch so viel Eigentümliches von allen übrigen Völkern, dass ihre Abzweigung in grauer Vorzeit liegen muss.

Die Aufzeichnungen ihrer eigenen Schriftsteller gehen zurück bis 2597 v. Chr.; doch ist die älteste Geschichte durchaus sagenhaft, und eine sichere Chronologie reicht nicht höher hinauf als bis 841 v. Chr.

Als bedeutende Gestalten treten Fuhi, Schinnung und Hoangti hervor, auf welche von den Chinesen die ersten Anfänge der Kultur, Ackerbau, Staatliche Gründung und Religion zurückgeführt werden.

Auch die Geschichte der ersten großen Dynastien Hia (2205—1766 v. Chr.) und Schang (1766—1123 v. Chr.) ist noch unsicher und halbmythisch.

Erst von der dritten Dynastie, der der Tscheu (1123—221 v. Chr.) haben wir genauere und zuverlässigere Nachrichten. In die Periode dieser Dynastie fällt die Entwicklung des Feudalwesens. In der Mitte des Reichs (daher der Name »Reich der Mitte«, Tschungkue) lag die kaiserliche Domäne von 1000 Li (444 Kilometer) im Umfang; daran reihten sich die Lehnsgüter der dem Kaiser zu Diensten und Abgaben verpflichteten Vasallenfürsten in Abstufungen von 45 bis 15 Kilometer im Umfang. Alle Regenten dieser Dynastie haben das Prädikat Wang, wie denn der Begründer der Dynastie Wuwang genannt wird, der sich als Gesetzgeber verdient machte.

Siwang wurde 842 wegen seiner schlechten Eigenschaften entthront, und es folgte von 841 an ein 14jähriges Interregnum, das unter dem Namen Kongho (»Eintracht«) bei den Chinesen sehr berühmt ist.

Im Jahr 520 ist ein Erbfolgekrieg zwischen den Söhnen von Kingwang verzeichnet; keiner behauptete sich, ihr Oheim nahm den Thron ein.

Unter Singwang wurde 552 v. Chr. Konfutse und dessen berühmter Schüler Mengtse geboren.

Thsin Schihoang von der (4.) Dynastie Thsin (246—209 v. Chr.) setzte seine Alleinherrschaft an Stelle des Willens der Feudalherren, dehnte sein Reich bis ans Meer aus, widerstand siegreich den Tataren und vollendete zur Abwehr ihrer Einfälle die bekannte Chinesische Mauer; 213 ließ er viele Bücher, meist Annalen, verbrennen.

Unter der Dynastie Thsin waren die Einzelstaaten zu einer politischen Einheit verschmolzen worden; nun brachen überall Unruhen aus, und nach mehr als siebenjährigem Kampf gründete Lieu Pang, Fürst des Distrikts Hand, die (5.) Dynastie der Han (202 v. Chr. bis 203 n. Chr.).

Die Han werden in die westlichen und östlichen unterschieden; jene residierten in Xingan, der Hauptstadt von Schensi, diese in Honanfu in der Provinz Honan. Das Feudalwesen wurde beschränkt, die Südprovinzen sammt der Insel Hainan mit dem Reich verienigt, Nordkorea 109 v. Chr. erobert und die Herrschaft nach Besiegung der Hiungnu in der heutigen Mongolei über Zentralasien bis zum heutigen Russisch-Turkestan ausgedehnt.

Unter Hiao-Mingti kam 65 n. Chr. der Buddhapriester Hoschang aus Hindostan nach China, wo sich seitdem die Buddhareligion neben jener des Konfutse ausbreitete.

Unter dieser Dynastie lernten die Chinesen das römische Reich kennen; 166 n. Chr. soll Kaiser Mark Aurel (Antun bei den chinesischen Historiographen) zur See eine Gesandtschaft nach China gesandt haben.