Unterrichtswesen

GelehrterMeyers Konversations-Lexikon, 1875

So eigentümlich wie die Religion ist das Unterrichtswesen in China. Allgemeine Schulbildung für das männliche Geschlecht ist nicht, wie vielfach angenommen, Reichsordnung, daher es auch keine staatlichen Elementarschulen gibt und kein Schulzwang stattfindet.

Es geschieht aber von den Privaten viel für den Unterricht; gewöhnlich vereinigen sich mehrere Familien, oder es nimmt der »Stamm« einen Lehrer auf, dem die Knaben, nicht auch die Mädchen, im Alter von 5-6 Jahren so lange anvertraut werden, bis sie lesen und schreiben können; es wird weder Mathematik noch Naturgeschichte gelehrt.

Etwa 10 Prozent. der Landbevölkerung sollen lesen und schreiben können, eine Kenntnis, die bei der Schwierigkeit der chinesischen Sprache selbst bei großem Fleiß gegen fünf Jahre in Anspruch nimmt und den Verstand in hohem Grad schärft.

Erst bei der Erwerbung der literarischem Grade spricht die Regierung ein gewichtiges Wort mit. Es gibt drei Grade: Xiucai (»Kandidat«)« Juren (etwa »Doktor«) und Jinshi (etwa »Professor«). Hauptaufgabe der Schüler ist Aneignung sämtlicher Schriftsammlungen des Kongfutse; der zweite und dritte Grad befähigt zu Staatsämtern; man bereitet sich zum Studium vor in den vom Staat und von Stiftungen unterhaltenen Seminarien zur Unterststützung junger Gelehrten; die Prüfungsarbeiten sind in Klausur zu fertigen, worüber, wie über die Notenerteilung, ins Kleinliche gehende Bestimmungen bestehen. Geld, Verwandtschaft und Empfehlung verhelfen jedoch vielen Unwissenden zur Auszeichnung durch diese drei Grade; die gröblichsten Betrügereien finden statt und passieren, wenn sie nicht offen, für jeden wahrnehmbar verübt werden. Die Graduaten sind infolge davon vielfach ziemlich ungebildet. Die zu Tausenden durchfallenden Kandidaten werden Schullehrer, Notare, Schreiber usw.

Das bestimmte überkommene Maß von Kenntnissen und Wissenschaften dem nachwachsenden Geschlecht zu übermitteln, ist das einzige Ziel alles Unterrichts; Schulbesuch der Mädchen ist Ausnahme. Das Wissen auch der Gebildeten geht über den Bereich ihres Landes nicht hinaus; erst in der neueren Zeit hat die Regierung einige Anstalten ins Leben gerufen, in denen in Eingebornen Kräfte herangezogen werden sollen, welche sie von den Europäiern unabhängig machen sollen, um nicht mehr genötigt zu sein, in vorteilhaften Stellungen Ausländer zu verwenden.

Das Wichtigste in dieser Beziehung ist seit 1867 die Errichtung eines Kollegiums für fremde Wissenschaften (Tungwenkuang) in Peking, eine Art Universität, an welcher Europäer, darunter der Deutsche J. v. Gumpach, wirken. Ein weiterer Schritt in dieser Richtung war 1872 die Anweisung Von 1 Million Dollars zur Ausbildung junger Chinesen in Amerika.

 Die Heilkunde liegt ganz in den Banden der Astrologie, und auch in der Astronomie, worin den Chinesen ein gewisses Maß von Kenntnissen nicht abzusprechen ist, geht es ohne jene nicht ab.

In der Zeitrechnung bedient man sich in China eines 60jährigen Zyklus, der aus einer sechsmaligen Kombination des Dezimalzyklus mit der fünfmaligen des Duodezimalzyklus gebildet ist. Die Tage, von Mitternacht an gerechnet, werden in 12 Stunden geteilt; eine Einteilung der Monate in Wochen ist nicht gebräuchlich.

Geometrie und Algebra sind dem Chinesen etwas Fremdes; von Ziffern weiß er überhaupt nichts, denn die Zahlen werden mit Wortzeichen geschrieben. Im gemeinen Leben hilft man sich mit einem Rechenwerkzeug.