Taoismus

Meyers Konversations-Lexikon, 1875

Das dritte China eigentümliche Religionssystem ist das des Laotse, Ehrenname des gelehrten Li Boyang, der im 7. Jahrhundert v. Chr. lebte und der Stifter der Taosi-Sekte wurde, die auch in Japan und Hinterindien Verbreitung fand.

Die gegenwärtigen Taosi-Lehren haben sich jedoch von ihrem Original bedeutentd entfernt. Laotse hat im Taoteking (»Der Weg zur Tugend«; vgl. R. v. Plänkner, Laotse Taoteking, der Weg zur Tugend, Leipzig 1870) seine Lehren niedergelegt; er will die höchste sittliche Vollkommenheit in jedem Schaffen durch wahre Erkenntnis eines höchsten Wesens, die nur durch Intelligenz und durch das Bewahren dieses Gottes im Herzen erreicht wird, was allein durch Herzensreinheit, Geistesruhe und Herrschaft über die Begierden möglich ist.

Die Anhänger der Taosi-Sekte haben aber die ursprünglichen erhabenen Lehren ihres Stifters praktisch zu einem wahren Zerrbild umgebildet. Schon im 13. Jahrhundert sind sie berühmt als Adepten der »geistigen Alchemie«, welche die in der physischen Welt waltenden Geheimnisse des langdauernden sowie des ewigen Lebens und anderer Gaben zu erforschen strebten; jetzt sind sie einem groben Mystizismus ergeben. Ihre Hauptsitze sind in der Provinz Jiangxi; sie stehen übrigens in geringem Ansehen.