Meyers Konversations-Lexikon, 1875
Die Religion, zu welcher sich jetzt der Kaiser, alle Staatsbeamten und die Gelehrten bekennen, und neben der alles andere Religionswesen jetzt als ketzerisch gilt, da das Staatsgebäude auf den Lehren dieses Weltweisen aufgebaut ist, ist die Lehre Konfutse's (Confucius'), der 551—478 v. Chr. lebte und aus der Familie Kung entsprossen war, die ihren Stammbaum bis 1121 v. Chr. zurückzuführen vermochte; seine Geburtsstadt ist Qufu in der Provinz Shandong, sein Geburtsort eine Höhle.
Konfutse nimmt in seinen Schriften nirgends auf eine Schöpfung, einen Schöpfer oder auf eine sittliche Weltordnung Bezug und gibt nur durchaus weltliche Sittenlehren; sein Moralgebäude entbehrt jedes idealen Strebens, es lässt uns kalt (s. Konfutse). Er hat die Volksanschauungen richtig wiedergegeben, denn, wie bereits gezeigt, fehlte auch der alten Religion das Bewusstsein einer Vergeltung der gerechten und ungerechten Handlungen. Die Pietät war und blieb der Grundzug des chinesischen Lebens, die Ahnentafel ist das Familienheiligtum.
Wie früher, so wendet man sich auch jetzt noch an die Ahnen und Geister um Hilfe mit Gebet und Opfern; man denkt sie sich dabei anwesend. Es gibt große, kleine und mittlere Opfer, je nach dem Objekt und dem Geist, für die sie bestimmt sind.
Die Gewalthaber, voran der Kaiser, Fürsten, Staatsbeamte, sind, wie in der alten Religion, so noch jetzt die vornehmsten Priester. Den Göttern bringt der gemeine Mann selbst die Opfer dar; doch gibt es auch Berufspriester, die vom Geschäft des Opferns usw. leben; indess lauten die Nachrichten über sie nicht günstig, und man muss sie als Schwarzkünstler qualifizieren.
Die Opfergaben bestehen in Ochsen, Schafen, Schweinen, Seidenzeugen. Für die Tötung der Tiere bestehen keine Vorschriften. Sie werden daher alle gekocht, um nach dem Segen zum Bekehren bereit zu sein.
Die Opferhandlung ist stets ein Fest und wird im Tempel, bei besonderen Anlässen auch im Freien vorgenommen Die Andächtigen vereinigen sich dabei unter mancherlei Zeremonien.
Wallfahrten wird ein großer Wert beigelegt; Markham fand 1869 in Taigan (Provinz Schan-tung) an 70,000 Pilger vereinigt.