Bewässerung

Meyers Konversations-Lexikon, 1875

Die Bewässerung ist in China reichlicher, sowohl durch Flüsse als durch Kanäle, als wohl in irgend einem andern Land; die Kanäle fangen aber bei der schlechten Wirtschaft der Regierung zu verfallen an und sind teilweise schon unbenutzbar. China hat zwei große Flusssysteme, das des Huangho und das des Jangtsekiang,

- Der Hoangho (Gelber Fluss) hat seit 602 v. Chr. zwischen dem 34. und 39.° nördl. Br. Seine Mündungen neunmal verändert; er mündet jetzt in den Golf von Petscheli, etwas südlich des 38.° nördl. Br. Seine Länge wird von Ritter zu 2078, mit den Krümmungen auf 4000 bis 4200 Kilometer geschätzt, sein Stromgebiet auf 1,850,000 Quadratkilometer (33,600 QM.). Sein oberer Lauf außerhalb China ist sehr wenig bekannt, seine Quellen sind noch nicht untersucht. Mit chinesischen Barken kann er stellenweise befahren werden, mit Dampfern wohl nirgends; vom Meer aus ist er nicht schiffbar, in seinem untern Lauf wälzt er ungeheure Mengen Erde und Schlamm dem Meer: zu. das Bett ist bei Fukien 3220 Meter breit und häufig Veränderungen unterworfen; an seinem Ausfluss setzt der Strom über eine seichte Barre. Sein Wasser dient vor allem der Bewässerung; weithin verheerend wirkt er durch seine Überschwemmungen, gegen welche riesige Erdwerke angelegt sind, die aus doppelten, durch Querdämme verbundenen Parallelbänken bestehen; die Dämme müssen im untern Lauf bis zu 21 Meter hoch und so breit sein, dass vier Eisenbahngeleise darauf gelegt werden könnten, wenn sie Schutz gewähren sollen (Orenham). Die Ablenkung des Flusses im sein neues Bett hängt insofern mit der Taiping-Rebellion zusammen, als während der Unruhen und der Verwirrung zu Anfang der fünfziger Jahre die Überwachung der Uferbauten, welche von einem (Chef mit 64,000 Arbeitern zu geschehen pflegte, vernachlässigt wurde und infolge davon der Durchbruch des nördlichen Ufers bei Ffunghien (ca. 60 Kilometer östlich von Kaifung) entstanden ist. China ist während langer geologischer Perioden in fortschreitender Senkung begriffen gewesen, die nach Richthofen auch jetzt noch fortdauert; ein nicht geringer Teil der Ebene ist durch die Ablagerungen dieses großen Flusses ausgefüllt worden.

Der zweite große Strom Chinas ist der Jangtsekiang, was nicht als »blauer Fluss« auch nicht als »Sohn des Meeres«, sondern als der »Ausdehnende« zu erklären ist (Enkins). Seine Länge beiträgt 2910, mit den Krümmungen 4900 bis 5340 Kilometer; sein Stromgebiet erstreckt sich über l,872,000 Quadratkilometer (34,000 QM.), wenn nicht sogar 2,970,000 Quadratkilometer (54,000 Q.M.). Er entsteht aus der Vereinigumg des Kinschakiang (»Goldsandfuss«) und Jalungkkiang, des Jarlung der Tibeter,, welche sich unter 2bb° 30' nördl. Br. und 101°52' östl. L. v. Gr. vereinigen; der Kinschakiang ist derHauptarm, sein Lauf ist viel länger; die Quellen beider Flüsse liegen in Tibet. Der Strom ist schiffbar für Dampfer kaum über Itsschang (Provinz Hupeh) hinaus, für Barken noch über Sutschau in «Ssetschuan hinaus. Er ist die Hauptverkehrader mit dem Innern des Landes; die größten Handelsstädte liegen an ihm, und die Hauptsumme des chinesischen Kapitals ist hier aufgehäuft, zerstörend wirkt er durch den außerordentlich starken Wechsel im Wasserstand. Von Itschang ab beträgt sein Gefälle 1b,4 Zentim. auf 1000 Meter, d. h. , es ist fast doppelt so stark als das des Nils und Amazonenstroms, dreimal so groß als das des Ganges; am 1. April passierten diese Stelle! (nach Blakiston) 10,092, im Juni dagegen 1b,780 Kubikmeter. Im Sommer überschwemmt und verheert der Jangtsekiang regelmäßig große Strecken der oberen Provinzen, insbesondere von Hupeh und Nganhoei. Um einen Begriff von den riesigen Dimensionen zu ermöglichen, in welchem sein Steigen stattfindet, sei erwähnt, dass 23. Juli 1869 in Hankan die Differenz zwischen dem damaligen und dem mittlern Wasserstand während des Winters 11,6 Meter betrug; 10 Tagelang (bis 4. Okt.) war die europäische Ansiedlung der Überschwemmung preisgegeben, über 40000 Einwohner der Chinesenstadt flüchteten sich nach den Hügeln. Der Strom wurde seit dem Frieden von Tianjin (1858) wiederholt von Europäer bis nach Ssetschuan befahren; sein Lauf, seine Ufer und der überaus frequente Schiffs- und Floßverkehr auf ihm wurden ausführlich beschrieben. Die letzte Erforschungsexpedition wurde 1869 im Auftrag der Schanghai-Handelskammer ausgeführt. Die Mündüng des Flusses bildet jetzt einen einzigen großen Arm, etwas südlich vom 32.° nördl. Br.; früher waren es 3 Arme, von denen einer sich in die Hangtscheubai ergoss. Er erfährt auch in Tiefe und Fahrwasser So große Veränderungen, dass sich die 1842 für das Delta aufgenommenen englischen Admiralitätskarten 1858 unbrauchbar erwiesen.

Von den übrigen Flüssen ist der längste der Sikiang, der im südöstlichen Jünnan entspringt und südlich vonKanton mündet; schiffbar ist er bis Pesi.

Der Peiho oder Nordfluss, welcher an Peking vorbeiströmt, hat seinen Ursprung im Südlichen Randgebirge der Mongolei: er hat bei Tianjin, dem Hafenort von Peking, 54-73 Meter Breite; seine durchschnittliche Tiefe zwischen hier und Taku beträgt 3,6-5,5 Meter Der Fluss wird mit Barken bis Tungtscheu befahren.

Die übrigen Flüsse sind nicht erwähnenswert.

Mit Landseen ist die Ebene übersät; der größte, der Tongting, liegt südlich am Jangtsekiang; der zweitgrößte, eben dort, ist der Pojang; im N. des Flusses liegt der Kaojusee.

Ein Netz von Kanälen, das an Ausdehnung und vielfacher Verzweigung seines Gleichen nicht hat, bedeckt das Tiefland; sie dienen statt der sehr seltenen Kunststraßen in ergiebiger Weise dem Transport von Personen wie Waren und sind zugleich für die Bewässerung von höchster Wichtigkeit. Der größte und wichtigste, zu dem sich die anderen wie Äste und Zweige verhalten, ist der 1100 Kilometer lange und 80-330 Meter breite Kaiserkanal (meist Jünho, »Beförderungsfluss«, genannt), der, seit dem 7. Jahrhundert n. Chr. nicht durch Ausgrabung, sondern durch Aufdämmung angelegt, aber erst unter der Mongolenherrschaft vollendet, mit dem Peiho in Verbindung steht, den Hoangho wie Jangtsekiang quer durchschneidet und bis vor kurzem die große Kommunikationslinie des Reichs bildete; jetzt gibt dieser Riesenbau nur noch Zeugnis von einstiger Größe und gegenwärtigem Verfall. Der veränderte Lauf, den der Hoangho nahm, verursachte den ersten großen Schaden am Kanalbau, da Reparaturen unterblieben, so befindet sich der Teil nordwärts vom alten Bette des Stroms in einem ganz verwahrlosten Zustand. Der südliche Teil hat bisher noch einen regelmäßigen Verkehr gestattet; aber wenn der Erhaltung dieses Werks von selten der Regierung keine Aufmerksamkeit geschenkt wird und die Vorschläge der fremden Ingenieure wie bisher mit Geringschätzung zurückgewiesen werden, so ist nicht nur der Einsturz eines Teils des Damms, der den Kanal vom Kaojusee trennt, in Bälde zu befürchten, sondern auch einer der fruchtbarsten Landstriche Chinas der Überschwemmung preisgegeben.