Meyers Konversations-Lexikon, 1875
China ist noch immer sehr unvollkommen bekannt; die Ufer des Jangtsekiangflusses und die Küstenprovinzen sind allein ausführlicher beschrieben, v. Richthofen ist zwar auf seinen ausgedehnten Reisen 1868-71 bis tief ins Innere vorgedrungen, und wir erhalten durch ihn über die Konfiguration des Landes, seine Geologie und Mineralschätze ganz neue Aufschlüsse; die Ergebnisse seiner Reisen liegen jedoch (1874) noch nicht vor, und so konnten im folgenden die bisherigen Schilderungen des Innern von China nur in einzelnen Beziehungen vervollständigt werden.
Der Oberflächengestaltung nach zerfällt das Reich in ein Hochgebirgsland (im W. und NW.) und in ein Stufen- und Tiefland (im SO. und O.). Man nimmt an, dass das südliche Gebirge mit dem Himalaja zusammenhänge. Diese Südkette (Nanling) streicht unterm 2b.° nördl. Br.. und trennt die südlichen Provinzen von den nördlichen. In der Mitte von Kueitscheu sollen noch Gipfel von Schnee und Gletscher sein; die Passage, durch welche von Kanton nach Peking der Weg führt, wird zu 2400 Meter Höhe geschätzt. das zweite Parallelgebirge, von Richthofen unter dem Namen Funiuschan (statt Peling) eingeführt, scheint der östliche Ausläufer des mächtigen Kuenlün in Zentralasien zu sein und erhebt sich zu 1220-1520 Meter Höhe, während die Pässe in 300 und 450 Meter Höhe liegen. Es werden eine Menge Namen für Gebirgsverzweigungen von weniger ausgeprägtem Charatter genannt, deren Mitteilung kein besonderes Interesse hat. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass zwei Drittheile der ganzen Fläche des eigentlichen China Bergland sind. Nach den Verhältnissen der Höhe können wir 3 große Regionen unterscheiden:
1) das Alpenland im W. und NW. begreift die Provinzen Schentsi, Kansu, Schansi, Ssetschuan, Jünnan und Kueitscheu.
2) Die Stufenländer der Südkette (Nanling) fallen nach S. dem Meer zu terrassenförmig ab und ebenso nördlich. Dieser oft kahlen und unfruchtbaren Region gehören an die Provinzen Kuangsi, Kuangtung, Fukian, Ttschekiang; die Binnenprovinzen Honan, Kiangsi und Nganhoei, welche zum Teil den zweiten inneren Terrassenabfall bilden, nehmen am Bergcharakter Teil, gehören aber der größeren Fläche nach zur nächsten Abtheilung.
3) das Tiefland, die große Alluvialebene zu beiden Seiten des untern
Jangtsekiang, des Hoangho und Peihoflusses, nach O. dem Meer zu sich öffnend,
auf den übrigen Seiten von den Abhängen des Alpenlandes begrenzt, ist ein
weites seenreiches, oft sumpfiges Kulturland, meist aus Löß bestehend, auf
welchem die Dichtigkeit der Bevölkerung und die sorgfältige Bodenbearbeitung
eine Höhe erreicht hat, wie wohl sonst nirgends in der Welt. Zu dieser Region
gehören die Hauptproduktionsgebiete von China, die Provinzen Hupeh, Teile von
Hunan, Kiangsi und Nganhoei, Kiangsu, Schantung und Petscheli. ![]()