Chinas Verteidigung gegen westliche Ideen, Vorwort I

 Alfons Paquet, 1917

Auf ein Buch wie das vorliegende ist die geistige Welt Europas so wenig vorbereitet, dass es einiger Vor- und Nachbemerkungen bedarf. Sein Verfasser, als chinesischer Literat von selbständigem und starkem Denken voll innerer Beziehung zu dem klassischen Lehrer seines Volkes, daneben von seinen an deutschen und englischen Universitäten verbrachten Jugendjahren her ein Bewunderer der großen europäischen Schriftsteller des 18. und 19. Jahrhunderts, hat selber die Methode des Zitierens und des Erläuterns häufig angewendet. Die »Geschichte einer chinesischen Oxford- Bewegung«, die den wichtigsten und inhalt reichsten unter den folgenden Aufsätzen darstellt, ist eine einzige, mit kühner Hand gezogene Parallele. Gu Hongming gilt unter seinen Landsleuten neben Liang Qichao, dem begabten Schüler des viel ge nannten, abenteuerreichen Reformers und Akademi kers Kang Youwei als einer der führenden modernen Köpfe. Er veröffentlichte 1891 einen Aufsatz, der eine ebenso scharfe wie geistreiche Kritik der fremden Mis sionare in China darstellt und seitdem vielen ähnlichen Artikeln in chinesischen Büchern und Zeitschriften zum Vorbild diente. Die nachstehenden Aufsätze und noch andere Bücher schrieb Gu Hongming in eng lischer Sprache. Seine »Papers from a Viceroy's Yamen«, die unmittelbar nach der Zeit der Boxer-Expedition herauskamen und denen der Aufsatz »Kultur und Anarchie« entnommen ist, erregten abermals ein ge wisses Aufsehen. Bezeichnenderweise hat Gu einer 1906 von ihm herausgegebenen Übersetzung und Auslegung des »Weges der Mitte« — einem für Nicht- Chinesen bestimmten konfuzianischen Katechismus — ein Zitat aus Kant vorangestellt. Auch in den vor liegenden Aufsätzen streckt der Verfasser seinem Leser einige starke Worte Goethes und Carlyles und des von ihm besonders hochgeschätzten Matthew Arnold als Stützen entgegen, um ihm über eine gewisse Scheu gegen die Unsicherheit des Bodens hinwegzuhelfen. 

Gu Hongming — darin ganz Chinese — liebt Zitate. Fast scheint es, als schwelge er zuweilen darin, neben den hohen, doch trockenen Aussprüchen seiner ein heimischen Klassiker die nicht weniger bedeutenden doch temperamentvolleren Worte großer europäischer Schriftsteller wie schöne, besonders kräftig wirkende Farbenflecke zu verwenden. Es wäre schade, wenn diese Bücher, bloß weil sie englisch geschrieben und für die Masse der englischen Leser unerfreulich zu lesen sind und deshalb von der englischen Presse Chinas systematisch totgeschwiegen werden, spurlos vorübergingen. Gu Hongming war nach seiner Rückkehr aus Europa jahrelang Sekretär und Ver trauter Zhang Zhidong's während dessen Amtszeit als Generalgouverneur in Kanton und Wuchang. So spiegeln namentlich die noch in jener Zeit entstande nen »Papers from a Viceroy's Yamen« eine interessante jenseitige Auffassung von der moralischen Bedeu tung des großen westöstlichen Kulturkampfes. Die nach mehrjähriger Pause erschienene »Story of a Chinese Oxford Movement« geht darin noch weiter. Sie ist eine freimütige Kritik der chinesischen Poli tik der letzten Jahrzehnte und zugleich eine zeit geschichtlich wahrhaft wertvolle Darstellung der inneren Kämpfe und Leiden Chinas, die von außen her durch die politischen Verwickelungen mit den Großmächten, im Innern durch den tief erbitterten Kampf zwischen Mandschus und Chinesen verursacht waren.