27. September 1898

Morgens kam ein Telegramm von Goltz aus Peking: Der Kaiser habe auf Rat seines Favoriten Kang yo wei, der ihn durchaus zu einem Peter den Großen machen wolle, ein Edikt erlassen wollen, dass in China europäische Kleidung einführte. Die Kaiserin habe davon Wind bekommen, sei aus Wau schau schau in die Stadt geeilt, habe den Kaiser in europäischer Kleidung gefunden, ihm die Kleider vom Leibe gerissen und ihn nach einer heftigen Szene gezwungen, ihr die Regentschaft zu übertragen. Der Kaiser sei in eine lange Ohnmacht gefallen, daher das Gerücht seines Todes.

Da der Eisenbahnverkehr wieder aufgenommen, fuhren wir nachmittags nach Peking. In den Straßen befanden sich keine der erwarteten Barrikaden, nur die gewöhnlichen namenlosen Schmutzbarrikaden und der mefitische Gestank. Im Gesandtschaftsgarten dagegen sah es reizend aus.

Der Rasen herrlich grün nach dem vielen Regen, 12 Fuß hohe Sonnenblumen und manneshohe purpurote Coleussträuche.

Goltz erzählte uns, Li hung chang habe wieder Aussicht auf die höchsten Posten. Augenblicklich ist der Marquis Ito aus Japan hier. Er soll am Tage vor der Regentschaftseinsetzung eine lange Audienz beim Kaiser gehabt haben, um ihn zum Berater nach Peking zu engagieren. Ito selbst soll aber sehr skeptisch sein über die chinesische Reformfähigkeit und die Korruption hier doch noch weit über seine Erwartungen finden.

Pawlow erzählte Edmund, der Kaiser habe mit seinem kantonesischen Vertrauten einen Plan verabredet gehabt, wonach die Kaiserin durch den General Juan chi kai nach Mukden gebracht und dort eingesperrt werden sollte. Dann sollte China in eine Art japanisch­englische Vormundschaft gestellt und Ito wahrscheinlich zum Reformator bestellt werden. Der General war bereits in Peking und hatte alles mit dem Kaiser und seinen Vertrauten verabredet und war abgereist, um seine Truppen zu holen.

Da erfuhr die Kaiserin von dem Plan, ließ sofort die Züge zwischen Tientsin und Peking stoppen und zwang den Kaiser zur Abdankung. Dass die Japaner an all dem beteiligt sind, scheint sicher, sie sollen auch an all den Revolten im Süden mitwirken.

Salvago erzählte, der Kaiser habe in letzter Zeit die Subsidien, die die Tataren sonst regelmäßig bekamen, nicht mehr zahlen lassen, die Kaiserin verschaffe sich im Gegenteil einen Anhang, indem sie unter die Tataren Geld austeilen ließe.

Index