22. Mai 1898

Der Prinz hatte sich zu einem Besuch im Tsungli Yamen angemeldet. Nach 1 1/2 Stunden kam er zurück, und sein erstes Wort an der Haustür war: „Frau von Heyking, Ihr Diner heut abend ist um 6 anstatt um 8 Uhr!" Um 8 Uhr zum Diner wurden nämlich Prinz Ching und alle chinesischen Großwürdenträger, mit den Europäern 24 Personen, erwartet.

Der Grund der Veränderung war, dass der Prinz im Tsungli einige Schwierigkeiten gehabt hatte. Die Chinesen wollten, dass er noch einmal nach Wau schau schau käme, dem Kaiser die Verleihung des Schwarzen Adlerordens anzukündigen. Der Prinz weigerte sich und bestand darauf, dass der Kaiser in die Stadt käme; schließlich willigte Prinz Ching ein, es dem Kaiser vorzutragen, sagte aber, dann müsse er noch nachts nach Wau schau schau. Um dies zu ermöglichen, wurde unser Diner um 5 Uhr von 8 auf 6 Uhr verlegt! Ich stürzte in die Küche, und an alle europäischen Gäste wurden reitende Boten geschickt; eine tolle Verwirrung!

Die Chinesen kamen um 6 Uhr und wurden vom Prinzen empfangen, der ihnen das Haus zeigte. Sie sahen sich auch die vier neuesten Bilder der Prinzessin Heinrich an, und Prinz Ching frug, ob das vier verschiedene Prinzessinnen seien, worauf Prinz Heinrich erwiderte: „Nein, das erlaubten ihm seine Mittel nicht."

Gegen 7 Uhr waren die Gäste zusammen und das Diner fertig, die Köche hatten wirklich Erstaunliches geleistet. Da es ein Herrendiner war, sah ich es mir vom Saal aus an.

Nach dem Diner empfing ich die Herren im Saal, Prinz Ching schüttelte mir wiederholt die Hand und ging dann schleunigst ab nach Wau schau schau. Es scheint mal wieder eine ganz enorme Forderung zu sein, dass der Kaiser binnen 24 Stunden in die Stadt kommen soll.

Später saß ich neben Prinz Heinrich, als er mit Li hung chang ein längeres Gespräch darüber hatte, dass die Chinesen Zölle erheben in Teilen unsres Gebiets, wo sie es nicht dürfen. Es amüsierte mich, wie der alte Li alle seine Kniffe von Ausreden anwandte und der Prinz es persönlich kennen lernte, gegen welche Schwierigkeiten man hier anzukämpfen hat. Er sieht es übrigens sehr ein, denn er sagte noch abends zu Edmund: „Was tun Sie mir leid, mit diesem Volk zu tun zu haben."

Bei Tisch soll Li besonders objectionable gewesen sein, indem wieder der silberne Becher erschien!

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