µ  Deutsches Konsulat in Hankou

Deutsche in HankouEugen Wolf, 1896

[...] Das kaiserlich deutsche Vizekonsulat nimmt die schönste Lage am Jungfernstieg Hankows ein; es befindet sich in einem geräumigen, mit Verständnis, daher den klimatischen Verhältnissen entsprechend aufgeführten Hause und ist so komfortabel eingerichtet, wie man es in China nur wünschen kann. 

Der Vizekonsul ist kein Berufs-, sondern "Wahlkonsul, gleichzeitig Teilhaber eines der bedeutendsten deutschen Häuser Chinas mit Niederlassungen in Hankow, Schanghai, Kanton und Tientsin. Die konsularische Vertretung deutscher Interessen kostet infolge dessen das Reich nichts; sie ist in denkbar besten Händen, in den Händen eines ehrbaren, deutschen Kaufmannes, der von der Pike auf gedient hat, dem eine zwanzigjährige Erfahrung in China zur Seite steht, und der unsern Gesamtinteressen mehr nützen kann und nützt als ein grün aus dem Amte kommender Assessor, der außer im Skat vielleicht noch in den Pandekten gut beschlagen ist, der aber sonst keine blasse Ahnung davon hat, zu was er eigentlich hier draußen dienen soll, es sei denn als Staffage an Geburtstagen hoher Persönlichkeiten, bei Zweckessen, oder wenn es sich darum handelt, Landsleute zu schikanieren. 

Ich ließ die Lasten auf der Strasse nebeneinander ordnen, die Träger zusammentreten, zog aus der Brusttasche einen Empfehlungsbrief an den Herrn Konsul hervor, stieg durch einen kleinen Vorgarten, mit hübschen Ziersträuchern und blühenden Kamelien bepflanzt, die Treppen hinauf, um mich vor einem Herrn, der eine goldene Brille trug, daher einen amtlichen Eindruck auf mich machte (wie wenig Menschenkenntnis besitze ich doch), recht zeremoniell - und so gut es meine steifen Bockledernen erlauben wollten - zu verbeugen. Wie aber kann man sich vor einem Konsul verbeugen, der sich - man verzeihe den amtswidrigen Ausdruck - vor Lachen den konsularischen Bauch mit zween Händen festhält. In meiner Devotion hatte ich gar nicht bemerkt, dass ich einem Herrn gegenüberstand, den ich bereits Ende September vorigen Jahres bei der Durchreise in Schanghai kennen gelernt hatte. Das amtliche Eis war gebrochen. Ebenso aufrichtig wie freundschaftlich wurde ich zum Nähertreten eingeladen; selten hat mir ein Glas Sekt so vorzüglich gemundet wie das, welches zwei Minuten später die Kehle hinabrann; es war ein guter Zug seitens des Konsuls, auf welchen ich mit einem guten Zug antwortete. Ich zog mein heutiges Frühstück aus der Tasche, zwei hartgesottene Eier, in die wir uns teilten.

Dann musste das Gepäck, das noch an langen Bambusstangen festgebunden war, losgebunden und in das Haus transportiert werden, für die drei Pferde fand sich, dank der Liebenswürdigkeit eines zweiten Landsmannes , Stallung, der Missionär, Schuster und meine Wenigkeit wurden im Hause aufgenommen. Die fünfzig Kulis, drei Aufseher, acht Soldaten und ein "höherer" berittener Yamen-beamter wurden abgelohnt , erhielten ihr besonderes Trinkgeld, rasch wurde ein Blick in die Post von Europa geworfen und ein zweites Glas Sekt, diesmal auf das Wohl des Fürsten Bismarck, getrunken. Dann bezog ich ein herrliches Schlafzimmer mit doppeltbreitem Sprungfedermatratzenbett, gut brennendem Kamin, angrenzendem Badezimmer mit großer Steinwanne. Ein heißes Bad, welch ein Genuss und welche Notwendigkeit! Ich kam mir wie ein verwunschener Prinz vor, ich passte nicht in die Situation. Kaminfeuer, Chaiselonge, Steingutbadebassin, Sprungfedermatratzenbett unter Baldachin, elektrische Klingel, ich war im siebenten Himmel!