Formosa

Reinhold von Werner (1861)

Wir segeln von Hongkong Richtung Japan

Wir hatten im Sommer 1861 mit der »Elbe« bereits einen Monat lang in Hongkong gelegen und vergeblich auf Nachrichten vom Geschwader gewartet, das drei Wochen vor uns aus Singapore nach Japan gesegelt war, als die mit den beginnenden Nordostmonsuns von Kanagava kommenden Schiffe die Ankunft der »Arkona« und »Thetis« in derßaivonjeddo (Japan) berichteten, zugleich aber die Trauerbotschaft von dem wahrscheinlichen Verluste des Schoners »Frauenlob« brachten, eine Kunde, die einen trüben Schatten auf die Expedition warf. Ein schrecklicher Taifun hatte am 2. September 1861 mit Tagesanbruch den Frauenlob von der Arkona, welche ihn im Schlepptau führte, getrennt. Es geschah dies in einer Entfernung von kaum noch 40 Meilen von der Jeddobai. Um 5 Uhr morgens ward das Schiff zuletzt gesehen, und seit jener Zeit hatte man nichts wieder von ihm gehört. Ein gleiches Schicksal teilte die englische Kriegsbrigg »Camilla«, und nach dem schrecklichen Wetter, das kaum eine so große und stark gebaute Fregatte wie die »Arkona« mit Hilfe der Dampfkraft auszuhalten vermochte, war nichts anderes anzunehmen, als daß das preußische wie das englische Schiff der Wut des Sturms erlegen und beide total verunglückt seien. Mit dem Frauenlob gingen 4 Offiziere, l Arzt, l Verwalter und 38 Unteroffiziere und Matrosen verloren, ein Ereignis, das nicht nur auf dem Geschwader, sondern auch in ganz Deutschland tief betrauert ward. Am 30. Oktober erhielten wir vom Geschwaderchef den Befehl, mit unserem Schiff nach Nangasaki zu gehen, um die Schiffe dort zu erwarten und sie mit Vorräten zu versehen. Am l. November verließen wir demgemäß das uns durch die außerge-

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wohnliche Freundlichkeit unserer dortigen Landsleute so lieb gewordene Hongkong, segelten nach unserm Bestimmungsort ab und machten uns auf eine mindestens vierwöchentliche und unangenehme Kreuztour gefaßt, da der Nordostmonsun sehr kräftig blies und wir die ganze Strecke von 400 geographischen Meilen ihm abzukämpfen hatten.

Ein Nordoststurm drückt uns zurück

In früheren Zeiten hielt man es gar nicht für möglich, gegen diese halbjährigen Winde einen längeren Weg anzukreuzen, und die Schiffe blieben oft 4 - 5 Monate in einem Hafen liegen, um den günstigen Monsun abzuwarten, wie es noch jetzt alle chinesischen Dschunken machen, die im Oktober von China nach dem Süden gehen und im Mai von dort nach Hause zurückkehren. Die Fortschritte im Schiffbau und in den nautischen Wissenschaften, der Hydrographie und Meteorologie, haben es jedoch nicht nur ermöglicht, gegen die Monsuns anzukämpfen, sondern bestimmte Reisen auch in bestimmter Zeit zurückzulegen, und gegenwärtig bedenkt sich selbst das schlechteste Kauffahrteischiff nicht, mit Ausnahme der Taifunmonate August, September und Oktober, im Sommer nach dem Süden und im Winter nach dem Norden zu kreuzen; ja, gute starke Fahrzeuge, deren Kapitäne mit genügender Fachkenntnis theoretische Bildung vereinen und den neuen Entdeckungen auf dem Gebiete der Meteorologie gefolgt sind, scheuen sich nicht, selbst Taifunen die Spitze zu bieten, wenngleich Mut und Geschicklichkeit nicht immer sie vor dem Unterliegen in dem ungleichen Kampfe sichern können.

Wir befanden uns im November und hatten daher weniger von den Unholden zu fürchten, sondern nur eine stürmische Reise mit allen ihr Gefolge bildenden Unbequemlichkeiten zu erwarten, eine Aussicht, die sich auch zur Genüge verwirklichte. Vom Süden Chinas nach dem Norden oder nach Japan hat man bei ungünstigem Monsun zuvörderst ganz nahe unter der Küste bis zu den Namoa-Inseln auf 25° nördl. Breite aufzukreuzen, um den durch den Formosakanal fallenden südwestlichen Strom zu vermeiden. Dann hat man östlich nach der Südspitze von Formosa hinüberzustechen

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und an der Ostküste dieser Insel nach Norden zu gehen, wo man den äquatorialen bis zur Beringstraße reichenden Warmwasserstrom, der in der Nähe von Japan fast die Schnelligkeit und Temperatur des nordamerikanischen Golfstroms annimmt, findet und benutzen kann.

Die ersten Tage ging es trotz des scharfen Windes vortrefflich. Unser Schiff kreuzte bei der hohen See über Erwartung gut, und schon am 6. November bekamen wir die Südspitze von Formosa in Sicht. Zugleich aber wurde die Gegenströmung, die sich von dem erwähnten Golfstrome hier westlich abzweigt, so heftig, daß wir fast nicht von der Stelle kamen, und uns am 10. November noch auf demselben Fleck wie am 6. befanden, obwohl wir seitdem 150 Meilen durch das Wasser gesegelt waren und ohne den Strom hätten mindestens 50 Meilen ostwärts kreuzen müssen. Ja, einmal hatten wir, als der Wind sich etwas legte, die merkwürdige Erscheinung, daß sämtliche Segel rund voll standen, das Schiff aber, statt vorwärts zu gehen, mit ziemlicher Schnelligkeit rückwärts ging, eine Tatsache, die auf den ersten Blick unerklärlich erscheint, aber nur die Folge eines heftigen Unterwasserstromes ist. Dieselbe Sache hatte ich schon früher einmal in der Straße von Florida im amerikanischen Golfstrom beobachtet, dort war jedoch die Strömung bei weitem nicht so heftig.

Am 10. November zog sich der Wind endlich ein bißchen nördlicher, und wir erreichten die Spitze der Insel, deren Südseite von Westen nach Osten ungefähr 4 Meilen weit sich erstreckt. Im Schütze derselben ging es trotz des zunehmenden Windes nun besser. Wir kreuzten ganz nahe unter ihr hin und bewunderten die romantischen Landschaften, welche die prachtvolle und terrassenförmig aufsteigende Insel dem Auge in reicher Fülle bot.

Die zunehmenden heftigen Bewegungen des Schiffes gaben jedoch unsern Gedanken bald wieder eine andere Richtung. Je mehr wir uns der Ostküste näherten, desto mehr fühlten wir den wachsenden Wind, und kaum traten wir ganz aus dem Bereich der schützenden Küste, als uns der schönste Nordoststurm entgegenblies, der nicht allein eine himmelhohe See aufwühlte, sondern uns auch zwang, sobald als möglich unsere Segel auf ein Minimum zu kürzen. Da wir unter solchen Umständen nur die Aussicht hatten, zurückzutreiben und den mühsam erkämpften Boden wieder zu

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verlieren, zogen wir es vor, schleunigst umzukehren und in einer ringsum von hohem Land geschützten Bucht, die uns schon vorher sehr einladend erschienen war, an der Südostseite der Insel vor Anker zu gehen.

Im Schutz der Südostspitze von Formosa

Die Karten von Formosa sind sehr mangelhaft. Die erwähnte Bucht war gar nicht darauf angegeben, und wir mußten uns vorsichtig heranloten, fanden aber einen so schönen, bequemen Ankerplatz, wie wir nur wünschen konnten, nicht zu tief, haltbaren Grund, kaum tausend Schritt von der Küste und gegen alle nördlichen und östlichen Winde, die wir allein in dieser Jahreszeit zu fürchten hatten, so gesichert wie in Abraham's Schoß. Der Anker rauschte vom Bug in die Tiefe, die Segel wurden festgemacht, und alsbald erwachte in uns auch ein sehnliches Verlangen, das mit einer so reizenden Außenseite geschmückte, fast gänzlich unbekannte, deshalb aber um so interessantere Land etwas näher zu betrachten. Die Tat folgte bald diesem Entschluß. Die Gig wurde in das Wasser gelassen, mit sechs kräftigen Leuten bemannt, und ihre Ruderschläge trugen uns m wenigen Minuten ans Land, das an einer Stelle einen prächtigen Sandstrand zum Anlegen bot. Wir hatten vom Schiff aus hier einige Eingeborene bemerkt, wollten mit ihnen Verbindungen anknüpfen, um Früchte und Lebensmittel zu erhalten und einen kleinen Streif- und Jagdzug auf die nahe liegenden Plateaus zu machen. Dort hatten wir mit unseren Fernrohren merkwürdige Tiere herumspringen sehen, die wir bald für Bären, bald für Affen hielten, und allem Anschein nach konnten wir uns ergiebige Beute versprechen. Da wir jedoch bereits früher von der feindseligen Unnahbarkeit der Formosaner gegen Fremde gehört, trugen wir Sorge, uns gehörig zu bewaffnen, und außer uns vier Teilnehmern an der Partie, die wir unsere eigenen Büchsen besaßen, erhielten auch unsere sechs Bootsruderer jeder eine der vortrefflichen Zündnadelbüchsen, mit denen unsere Schiffe ausgerüstet sind.

Wir betraten den Strand, der hier 30 bis 40 Schritt breit sein mochte und von einem dichten, und wie es uns schien, kaum durch-dringbaren Gehölz eingefaßt war. Wir teilten uns in zwei Parteien

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von je 4 Mann, während 2 Mann zur Bewachung des Bootes zurückblieben. Die Munition wurde ausgegeben und die Gewehre geladen, währenddessen wir am Strande nach Muscheln suchten und uns nach verschiedenen Seiten hin zerstreut hatten.

Scharmützel mit den Eingeborenen

Auf einmal fiel ein Schuß; keiner von uns achtete anfangs darauf, weil jeder glaubte, irgendeiner habe etwas Jagdbares entdeckt, und wir blickten von unserer Beschäftigung kaum auf. Unmittelbar darauf knallte es jedoch drei-, viermal hintereinander und einer unserer Matrosen rief: »Wir werden angegriffen, ich bin getroffen.« Zugleich sahen wir an verschiedenen Stellen den Pulverdampf aus dem Gebüch aufsteigen und befanden uns in der gerade nicht erfreulichen Lage, kaum 20 Schritt vor den Gewehrläufen eines unsichtbaren Feindes zu stehen, ohne auf dem offenen Sandstrand selbst die geringste Deckung zu haben. Die Sache war kritisch; die Feinde anzugreifen und in das dichte Gestrüpp vorzudringen, wo man keine 3 Schritt weit sehen konnte, wäre ebenso gewagt als unklug gewesen, da wir keine Ahnung hatten, wie viel uns gegenüberstanden. Ebenso wenig konnten wir aber bleiben, und das einzig Vernünftige war, uns in unser Boot zurückzuziehen und den Rückzug so gut wie möglich zu decken. Während deshalb zwei Matrosen den Befehl erhielten, das Boot zu unserer Aufnahme fertig zu halten, bildeten wir übrigen acht eine Tirailleurlinie und warteten mit gespanntem Hahn auf den nächsten Schuß, um auf den Punkt eine Salve zu geben, wo wir den aufsteigenden Rauch bemerken würden. Daß von den fünf auf kaum 30 Schritt Entfernung auf uns abgefeuerten Schüssen nur einer getroffen, gab uns keine hohe Meinung von der Geschicklichkeit unserer Feinde. Überdies war der getroffene Matrose nicht einmal verwundet. Ein sonderbarer Glücksfall hatte es gewollt, daß die sonst unfehlbar tödliche Kugel auf ein Messer traf, das er im Gürtel stecken hatte, daran abprallte und weiter keinen Schaden tat, als durch das Hemd zu gehen und den Hosenbund durchzuschneiden. Wir hatten kaum eine Minute gestanden, als der erwartete Schuß fiel. Er war wiederum auf den erwähnten Matrosen gezielt; die Kugel ging hinten durch seinen Hemdenkragen, wun-

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derbarerweise wieder ohne zu verwunden. Wir antworteten sofort mit einer vollen Lage, hatten jedoch noch nicht wieder geladen, als uns noch zwei Kugeln um die Ohren pfiffen, aber harmlos hinter uns in das Wasser fielen. Wir blieben die Erwiderung nicht schuldig, und unsere acht Kugeln knatterten in das Gebüsch, daß es eine wahre Freude war. Jetzt hörte das feindliche Feuer auf, entweder hatten wir getroffen oder eingeschüchtert, genug, wir nahmen den günstigen Augenblick wahr, um unser Boot zu besteigen und einige 100 Schritte vom Strand abzurudern. Wir mochten kaum 500 Schritte davon entfernt sein, als vier braunrote hohe Gestalten, mit langem schwarzen Haar und bis auf einen Schurz um die Hüften vollständig nackt, aus dem Gebüsch auf den Strand heraustraten und nach der Stelle hingingen, wo wir gelandet waren. Sie trugen jeder eine lange Luntenflinte in der Hand, und ein großer Hund begleitete sie. Wir hielten inne mit Rudern und nahmen sie auf das Korn; da jedoch die schwankenden Bewegungen des Bootes kein genaues Zielen erlaubten, trafen wir nicht, wenngleich die Kugeln in ihrer unmittelbaren Nähe einschlugen und dem Hunde ein Bein zerschmettert woirde. Die Wirkung erschreckte sie jedoch so, daß sich sofort alle niederwarfen und so schnell wie möglich auf allen Vieren in das Gebüsch zurückeilten. Ein fünfter, der hinter ihnen hergekommen war und wahrscheinlich sich als besonders mutig zeigen wollte oder auch unser schnelles Wiederladen nicht voraussetzte, blieb kühn stehen. Wir nahmen diesmal genauer Ziel; es knallte, der Formosaner sprang hoch in die Luft und stürzte auf den Sand nieder; er hatte seinen Vorwitz mit dem Leben bezahlt.

Wir fuhren jetzt an Bord zurück, und da das Schiff mit seiner Breitseite gerade nach dem Platze zugewendet lag, wo wir durch die Zweige der Bäume die Dächer von Hütten schimmern und Rauch aufsteigen sahen, beschlossen wir die Hinterlist der Eingeborenen durch einige Kanonenkugeln zu bestrafen und damit zugleich noch unsere rückständige Schießübung abzuhalten. Schon nach dem dritten Schuß bemerkten wir, daß wir das richtige Ziel genommen hatten. Eine Menge Menschen, darunter viele Weiber und Kinder, die sich hinter den Leibern von Ochsen, welche sie fortführten, zu schützen suchten, flohen auf die höher und weiter im Innern gelegenen Plateaus, zu denen sie jedoch nur gelangen konnten, wenn sie auf den Strand herauskamen und einige tausend Schritt auf ihm

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entlang gingen. Sie befanden sich demnach gerade in unserer Schußlinie, und wenn wir hätten unmenschlich sein wollen, konnten wir mit Kartätschen ein schreckliches Blutbad anrichten. Dies lag uns jedoch fern; wir richteten noch ein halbes Dutzend Kugeln auf das Dorf und begnügten uns mit dieser ausreichend erscheinenden Bestrafung, um so mehr, als wir selbst keine Verluste erlitten hatten.

Nach Dunkelwerden wurden wir noch einmal in eine kleine Aufregung versetzt; auf allen umliegenden Plateaus und Bergkuppen bis weit in das Innere flammten plötzlich Signalfeuer auf. Da wir am Strand Boote bemerkt hatten, glaubten wir eine Zeitlang an einen beabsichtigten nächtlichen Angriff auf unser Schiff und trafen alle nötigen Vorbereitungen, um ihn mit der gehörigen Kraft abzuweisen. Es blieb jedoch alles ruhig, und obwohl die Feuer die Nacht hindurch brannten, war während des ganzen nächsten Tags kein Eingeborener in der Nähe des Strandes zu sehen. Dagegen bemerkten wir sie weit im Innern auf den Plateaus, die wir vom Schiffe aus mit unsern Fernrohren rekognoszieren konnten.

So endigte dies kleine Abenteuer auf Formosa, das zwar ohne blutige Folgen für uns und deswegen interessant war, aber uns andererseits die seltene Gelegenheit abschnitt, die schöne, fast gänzlich unbekannte Insel näher in Augenschein zu nehmen. Wir mußten uns begnügen, sie von außen zu betrachten und ihre üppige Vegetation, ihre palmengekrönten Hügel und die majestätischen Höhenzüge zu bewundern, die weiter im Innern die Gipfel zu den Wolken emporsandten und in jenen bläulichen Tinten schwammen, die den tropischen Gegenden allein eigentümlich sind. Das Land erhob sich von der Küste an terrassenförmig aufsteigend, und die einzelnen Hochebenen gleichen künstlich angelegten Parks mit Rasenplätzen, Boskets und Waldungen. Auf einigen weidete Vieh der Eingeborenen, auf ändern bemerkten wir Herden der erwähnten Tiere, die uns gänzlich unbekannt waren, und die wir bald für Bären, bald für Affen hielten. Sie hatten die Größe eines Schlächterhundes, waren lang geschwänzt und bewegten sich schwerfällig auf der Erde. Sobald jedoch ein ungewohntes Geräusch ihr Ohr erreichte, sprangen sie im fliegenden Galopp über die Ebenen und in ein paar Sätzen in die Bäume.

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pas Reispapier und andere Schätze

Formosa liegt auf der Grenze des nördlichen Wendekreises; es erstreckt sich in nordöstlicher Richtung zwischen 120 bis 122° östlicher Länge von 21°55' bis 25°19' nördlicher Breite, also in einer Längenausdehnung von 51, bei einer Breite von 29 geographischen Meilen. Sein Flächeninhalt beträgt ungefähr 1.300 Quadratmeilen, ist jedoch nie festgestellt, da das Land nur einmal ein halbes Jahrhundert hindurch den Holländern zugänglich war, seit der Mitte des 17. Jahrhunderts aber allen Europäern verschlossen ist. Was man vom Innern der Insel weiß, ist sehr wenig. Die Holländer hatten nur den nächsten Umkreis ihrer Kolonien an der Westseite im Auge, und der einzige Europäer, welcher Formosa besuchte und beschrieb, der polnische Graf Benjowski, der über Kamtschatka aus Sibirien entfloh, hat in seinen Schilderungen offenbar mehr Dichtung als Wahrheit gesagt. Man kann jedoch die Insel fast ganz übersehen, wenn man sie umsegelt, und daß sie ein schönes und fruchtbares Land einschließt, geht aus den kostbaren Artikeln hervor, die sie teils nach China als Tribut, teils als Ausfuhr zum Handel ins Ausland sendet. Reis, Reispapier, Kampfer und Indigo nehmen unter ihnen die erste Stelle ein. Sie gehen über den den Fremden geöffneten kleinen Hafen Keelung an der Nordspitze der Insel teils nach Japan, teils über China nach Europa.

Das sogenannte Reispapier, durch die auf ihm ausgeführten kostbaren chinesischen Malereien auch in Europa bekannt, wird lediglich auf Formosa gewonnen, nicht aber aus Reis, wie der Name andeutet, sondern aus dem Mark einer bambusähnlichen Staude gefertigt, das in seiner Struktur viel Ähnlichkeit mit dem Mark unseres Hollunderbaumes hat. Die Staude wird ganz jung in Töpfe verpflanzt und, nachdem sie eine gewisse Stärke erlangt hat, gekocht und von der äußern harten Rinde befreit. Das oft 2 - 3 Zoll im Durchmesser haltende Mark wird dann in eine Drehbank eingespannt und, während es sich wie eine Walze dreht, vermittels eines sehr scharfen, feinen und breiten Messers in Blätter geschnitten, die sich der Länge nach abheben oder vielmehr abrollen. Die größten Bogen, welche die Konsistenz des Stoffs erlaubt, sind 18 Zoll lang und 9-10 Zoll breit. Das so gewonnene Papier ist außerordentlich , zart, spröde und sieht aus, als ob seine Bestandteile zerstampf -

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ter Reis seien, was wahrscheinlich den Grund zu seiner Benennung gegeben hat. Zum Schreiben ist es gänzlich unbrauchbar, dagegen eignet es sich vortrefflich zum Malen, und die Reisbilder sind mit Recht durch ihre ungemeine Farbenpracht berühmt, die wir in Europa vergebens zu erreichen trachten.

Alle Metalle und Kohlen sollen überdies reichlich in den Gebirgen vorhanden sein. Das Land ist durch einen Höhenzug, der sich an verschiedenen Stellen bis 12.000 Fuß erhebt, in eine östliche und westliche Hälfte geschieden. Die letztere ist flach, eben und mit China durch eine Menge kleiner Inselketten verbunden, deren bedeutendste Pescadores bilden, die aber ebenso wie die ganze westliche Küste fast gar nicht näher bekannt und bestimmt sind. Der östliche Teil ist durchaus gebirgig, reich bewaldet und fällt sehr steil gegen das Meer ab. Von dem mittlern Höhenzuge laufen im rechten Winkel zu diesem und parallel untereinander in ziemlich gleichen Zwischenräumen Gebirgsrücken aus, in deren Tälern man überall reichkultiviertes Land, Dörfer und Städte erblickt. Die nördliche Spitze ist wieder ziemlich flach, ebenso die südliche, und beide erheben sich erst drei bis vier Meilen von der Küste bedeutender. Die ganze Ostküste besitzt keinen einzigen Hafen; nur eine kleine Bucht in der Mitte der Küste gewährt zweifelhaften Schutz gegen die Südwestmonsuns. Ebenso wenig haben wir dort ein Fahrzeug, sei es auch nur ein Fischerboot, entdeckt, und es ist daher wahrscheinlich, daß die Bewohner dieses Teils sich lediglich mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigen. Der erwähnte Hafen Keelung ist gegen alle Winde gesichert, doch macht es Schwierigkeiten, ihn während des Nordostmonsuns, der eine schwere See vor ihm auftürmt, mit Segelschiffen zu verlassen. An der Süd- und Westseite sollen nach nautischen Angaben keine Häfen sein. Ich bin jedoch anderer Ansicht und überzeugt, daß bei näherer Untersuchung sich nicht allein an der West-, sondern auch an der Südseite Häfen finden werden. Die Bucht, in der wir lagen, gewährte während des Nord-ostmonsuns vollständigen Schutz, war jedoch nach Süden offen und mithin weder gegen Südwestwind noch gegen Taifun gesichert; dagegen bemerkten wir zwei Meilen westlicher einen tief in das Land gehenden Einschnitt, der ein trefflicher Hafen zu sein schien, und den ich unter allen Umständen zu erreichen trachten würde, wenn mich einer der in dieser Gegend so häufigen Taifune hier über-

raschen sollte. An der Westküste besaßen die Holländer 50 Jahre lang eine Kolonie, die jährlich von vielen großen Schiffen besucht wurde, und es ist kaum denkbar, daß dies praktische seefahrende Volk sich dort angesiedelt haben würde, ohne einen guten Hafen zu finden. Jedenfalls hat aber die Westseite der Insel vor China, Japan und allen umliegenden Ländern den großen Vorteil voraus, daß sie nicht von Taifunen heimgesucht wird, und bis jetzt noch keiner dort beobachtet ist. Im Chinesischen Meer wandern die Taifune fast immer von Südost nach Nordwest, also im rechten Winkel zur Lage Formosas. Wahrscheinlich werden sie durch den die Insel teilenden Höhenzug aufgehalten und abgeleitet. Mithin könnten an dieser Küste schon bloße Reeden die Häfen ersetzen, und es wäre wohl der Mühe wert, in dieser Beziehung genauere Forschungen anzustellen, um ein so reiches Land in den Bereich des Weltverkehrs zu ziehen und seine Schätze auszubeuten.

Malaien, Chinesen und Europäer im Kampf um die Insel

Formosa wird von zwei verschiedenen Rassen bewohnt, von Eingeborenen und Chinesen. Erstere bevölkern die östliche Gebirgsgegend, letztere die westliche ebene Hälfte. Die Formosaner gehören zum großen malaiischen Völkerstamm, zeichnen sich aber durch hohe Statur und kräftige Muskelbildung aus. Benjowski schildert sie gerade im Gegensatz zu den Erzählungen späterer Reisender, die der Zufall oder das Unglück an ihre Küsten verschlug. Sie sollen jetzt ein durchaus ungastliches, jedem Europäer feindlich gesinntes Volk sein, das auf keine Weise Verbindungen mit Fremden anknüpfen will und vorläufig durch die Unzugänglichkeit seiner Küsten gegen jeden Zwang in dieser Beziehung geschützt ist. Man könnte nur von Keelung aus zu ihnen gelangen, denn der Höhenzug bildet gegen Westen eine unübersteigliche Schranke. Mit den Chinesen liegen sie ebenfalls beständig im Krieg und überfallen sie unvermutet von den Bergen aus, so daß diese nur in größerer Anzahl und bewaffnet ihre fern gelegenen Äcker bebauen können.

Die Chinesen sind nämlich die Usurpatoren der westlichen Hälfte v°n Formosa, und an ihre Erscheinung knüpft sich die Vertreibung der Holländer. Zur Zeit, als diese noch die Herrschaft der Meere

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allen ändern Nationen streitig machten und namentlich die Portugiesen aus ihren ostindischen Besitzungen zu vertreiben suchten, zu Anfang des 17. Jahrhunderts, wollten sie ihren Handelsverkehr auch auf China ausdehnen und machten der Regierung des Kaisers darüber Eröffnungen; jedoch erst nach 10 Jahren, 1624, gelang es ihnen, ihren Zweck zu erreichen. Mit Hilfe von Batavia aus nahmen sie einen Teil der formosanischen Westküste in Besitz und gründeten eine Kolonie, die durch eine starke Festung, Zeeland, geschützt wurde. Die neue Niederlassung gedieh ungemein und erweckte durch ihr schnelles Emporblühen nicht allein den Neid der Portugiesen und Spanier auf Makao und Manila, sondern auch der Chinesen, die, von jenen angereizt, den Holländern jetzt wieder die Handelsfreiheit entzogen. Letztere züchtigten indessen den Vertragsbruch durch ihre Flotten auf so energische Weise, daß China es geraten fand, andere Saiten aufzuspannen. Gegen Aufgabe der Pescadores-Inseln, welche die Holländer besetzt hatten, wurden diesen unbedingte Handelsfreiheit zugestanden. Die Holländer begannen nun zunächst die Eingeborenen der Insel Formosa zu zivilisieren und sich untertänig zu machen. Sie gründeten Residenzschaften im Innern, wie auf Java, gingen mit den einheimischen Fürsten Bündnisse ein, und ohne die Unvernunft und die Starrköpfigkeit eines ihrer Admirale würde Formosa wahrscheinlich heutigentags ein zweites Java sein.

Im Jahr 1644 fiel Peking und mit ihm alle nördlichen und ein Teil der südlichen Provinzen in die Hände der Tataren, die, von Norden her eindringend, mit einer Hand voll Leute China eroberten. Infolgedessen wanderten 25.000 chinesische Familien nach Formosa aus. Dieser Zuwachs an arbeitsamen und industriellen friedlichen Menschen war den Holländern anfangs sehr erwünscht, und sie ermutigten sogar die Einwanderung. Schließlich jedoch wurde es ihnen zu viel, obwohl sie, jetzt aber vergebens, dem Strom Einhalt zu tun versuchten.

Ein christlicher Chinese aus Makao, Nikolaus mit Namen, und anfänglich ein bloßer Kuli, war durch Handel mit den Europäern einer der reichsten Leute in China geworden. Als die Mandschu sein Vaterland überschwemmten, rüstete er in edlem Patriotismus eine eigene Flotte gegen sie aus und bekämpfte sie mit entschiedenem Erfolg. Von allen Seiten strömten ihm Schiffe zu, und bereits nach

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inem Jahre stand er als Admiral an der Spitze einer 300 Fahrzeuge starken Flotte. Nach verschiedenen gewonnen Schlachten wurde er mit dem Anerbieten eines hohen Ranges nach Peking an den Hof gerufen. Er konnte der Versuchung nicht widerstehen, nahm es an und übergab das Kommando seinem Sohn Kuasching, von den Portugiesen Koschinga genannt, welcher der chinesischen Sache treu blieb. Nach drei bis vier Jahren wußten es indessen die Tataren durch Verräterei so weit zu bringen, daß er die chinesische Küste verlassen mußte, und er zog sich 1650 mit seinen Scharen nach dem großen und fruchtbaren Formosa zurück.

Die Holländer machten sich jetzt auf Krieg gefaßt und verstärkten die Besatzung von Zeeland. Solange Kuasching seine Kämpfe gegen China fortsetzte, blieben sie noch unbelästigt, nachdem er jedoch 1660 vor Nanking eine totale Niederlage erlitten, blieb er gänzlich auf Formosa und gründete ein eigenes Königreich. Der Gouverneur hatte um Hilfe nach Batavia geschrieben. Die Besatzung von Zeeland ward darauf auf 1.500 Mann gebracht, und die erbetene Flotte von 12 Schiffen traf in der Kolonie ein. Kuasching heuchelte die freundschaftlichsten Gesinnungen, und obwohl der Gouverneur ihm durchaus nicht traute, ließ sich doch der holländische Admiral vollständig durch seine Freundschaftsversicherungen täuschen. Ja, der Admiral verklagte sogar den Gouverneur wegen Feigheit und falscher Rapporte, und dieser wurde deshalb 1661 zur Verantwortung nach Batavia zitiert. Der Admiral selbst ging mit seinen Schiffen nach Amoy, um dort gegen die Portugiesen zu kämpfen.

Kurz nach Abgang der Flotte indessen erschien Kuasching mit 20.000 Mann vor Zeeland, blockierte es und schnitt die Verbindung zwischen ihm und einer anderen festen Position ab, welche die Mündung des Flusses beherrschte, an dem die Hauptfestung erbaut war. Die Holländer machten mit 400 Mann einen Ausfall, wurden jedoch zurückgeschlagen. Auch zwei Kriegsschiffe, die noch im Hafen lagen, litten sehr; das eine wurde durch Brand zerstört, dem ändern gelang es jedoch zu entfliehen und mit den Nachrichten nach Batavia zu segeln.

Unterhandlungen führten zu nichts; das kleine Fort mußte sich nach 8 Tagen ergeben, das große hielt tapfer aus, und Kuasching Wußte es regelrecht belagern. Die Holländer waren jedoch furchtbare Feinde; ihr Geschützfeuer richtete entsetzliche Verluste unter

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den Chinesen an. Kuasching wurde infolgedessen zur Aufhebung der Belagerung gezwungen und mußte sich nur auf eine enge Blockade beschränken. Er verwüstete jetzt die ganze Umgegend machte alle Residenten und Beamte mit ihren Familien zu Gefangenen und behandelte sie sehr grausam. Einer der ersten, dessen Frau und Kinder sich gleichfalls in Feindesgewalt befanden, wurde in das Fort geschickt, um es zur Übergabe aufzufordern, widrigenfalls mit der Ermordung sämtlicher Gefangenen gedroht wurde. Ein zweiter Regulus, mahnte jedoch der kühne und patriotische Mann zur Ausdauer, kehrte zurück und wurde mit allen übrigen niedergemacht. Indessen langte Succurs von Batavia an; 700 Soldaten kamen an, und die Belagerten gingen zur Offensive über. Weiber und Kinder wurden nach Batavia geschickt, und Kuasching wäre wahrscheinlich vernichtet worden, wenn nicht der neue Gouverneur im Einverständnis mit dem Admiral die Unklugheit begangen hätte, fünf der Schiffe dem tatarischen Vizekönig von Fukien gegen die Chinesen zu Hilfe zu schicken, wogegen dieser nach erfolgtem Siege seinerseits Hilfe gegen Kuasching versprach. Drei der Schiffe gingen in einem Taifun verloren, und die beiden ändern kehrten schwerbeschädigt nach Batavia zurück. Kuasching war zufrieden, seine Feinde so geschwächt zu sehen; ein Deserteur verriet einen schwachen Punkt der Festung, sie wurde dort von drei Batterien angegriffen. Bald war Bresche gelegt und von Seiten der Chinesen der Sturm beschlossen. Der Kriegsrat der Holländer erklärte Zeeland für unhaltbar. Nach neunmonatlicher Belagerung und einem Ver-lusje von 1.600 Mann wurde Formosa aufgegeben, und 1662 kehrten die tapfern Verteidiger nach Java zurück.

Kuasching wurde unabhängiger Fürst von der Westseite Formo-sas. Im Jahre 1683 erkannte jedoch sein Enkel die Oberherrschaft der Tataren an, und seit jener Zeit ist die Westhälfte der Insel eine tributäre Provinz von China. Seit dem Abzug der Holländer ist keine fremde Macht mit Formosa in irgendwelche Verbindung getreten. Bei dem Umschwung der Verhältnisse in China wird wohl auch Formosa in den Vordergrund treten. Wie die Kohlenlager von Japan den Amerikanern den Vorwand für die Öffnung jenes Reichs gaben, werden auch wohl bald wegen der Kohlen sich Liebhaber für das harmlose Formosa finden.