Victor Segalen (1878-1919)

Victor Segalen (1878-1919), Bretone, Marinearzt. Seine Dissertation schrieb er über psychische Krankheiten in der zeitgenössischen Literatur. Er reiste weit und wählte dafür Ziele, von welchen er sich Inspiration erhoffte:

In Tahiti kam er kurz nach dem Tod Gauguins an, dem er gerne begegnet wäre.

China erreichte er kurz vor dem Zusammenbruch der Qing-Dynastie. Für ihn war es die letzte eigenständige, nicht durch Europa beeinflusste oder zerstörte Kultur. Er lernte eigens Chinesisch, um sich besser in sie hineindenken zu können.

Die Stelen inspirierten ihn zu einer neuen Form der Poesie -- "stèles". Hier sein Rat an den guten Reisenden:

Conseils au bon voyageur

Ville au bout de la route et route prolongeant la ville: ne choisis donc pas l’une ou l’autre, mais l’une et l’autre bien alternées.

Montagne encerclant ton regard le rabat et le contient que la plaine ronde libère. Aime à sauter roches et marches ; mais caresse les dalles où le pied pose bien à plat.

Repose-toi du son dans le silence, et, du silence, daigne revenir au son. Seul si tu peux, si tu sais être seul, déverse-toi parfois jusqu’à la foule.

Garde bien d’élire un asile. Ne crois pas à la vertu d’une vertu durable : romps-la de quelque forte épice qui brûle et morde et donne un goût même à la fadeur.

Ainsi, sans arrêt ni faux pas, sans licol et sans étable, sans mérites ni peines, tu parviendras, non point, ami, au marais des joies immortelles,

Mais aux remous pleins d’ivresses du grand fleuve Diversité.

Er schrieb zwei, in ihrer Form revolutionären China-Romane. Er versuchte Inhalt und Aufbau -- ganz im Gegensatz zur damals üblichen Literatur und Beschreibung des "dreckigen, letargischen China" -- vom Chinesischen her zu denken.

Eine Biographie des glücklosen Kaisers Guangxu setzt sich aus dem chinesischen Schrifttum entlehnten Formen, z. B. Edikten zusammen.

Ein Thriller über einen jungen belgischen Agenten, der den Kaiserhof der Qing berät und das Reich vor dem Untergang retten sollte -- was ihm nicht gelingt -- war eigentlich als Parodie auf die gängige China-Literatur gedacht. Bei den Lesern, die diese Intention zumeist nicht nachvollziehen konnten, wurde sie zum erfolgreichsten seiner Werke.

Das Interesse an Segalen ist erst etwas 60 Jahre nach seinem Tod wieder erwacht. Es gilt heute vor allem seiner zukunftsweisenden Auffassung des "Exotismus". Sein Essay sur l'exotisme ist erst posthum erschienen.

1917 verließ Segalen China und verbrachte mehrere Monate in Hanoi. Zurück in Frankreich arbeitete er weiter als Arzt und setzte sich für die Zentralisierung der ostasiatischen Kunstgeschichte ein bevor er 1919 starb.