4. April 1899

Von Berlin ist noch immer keine Antwort da, und Edmund sehnt sich so unbeschreiblich fort zu kommen! Er sieht nur die drei Monate in Europa und nicht die dahinter drohende Rückkehr nach China.

Gegen drei Uhr rief Edmund mit sehr aufgeregter Stimme nach mir, und an der Tür seines Arbeitszimmers sagte er: „Wir sind versetzt!" „Wohin?" „Nach Mexiko!"

Ich stieß nur einen Schrei aus, und das ganze Herz krampfte sich mir zusammen. Ich fing an nervös zu schluchzen, ohne doch eine Träne weinen zu können, und frug nur immer wieder: „Was haben wir getan, um das zu verdienen!"

Ich hatte ein so vernichtendes Gefühl bitterer Kränkung und Demütigung. Solange ich konnte, habe ich Edmund immer wieder gebeten, auszuhalten und es nicht alles so grenzenlos schwer hier zu nehmen. Und das ist nun das Ende!

Erst nach einer ganzen Weile sagte Edmund: „Es ist ja gar nicht so schlimm." Dann gab er mir das Telegramm. Es lautete:

 „S. M. habe mit Bedauern von Edmunds Erkrankung gehört, bewillige in Gnaden den erbetenen Urlaub, auch dürfe Edmund sofort abreisen und solle Prittwitz die Geschäfte übergeben. Da aber die erbetenen drei Monate zur Wiederherstellung der Gesundheit nicht ausreichen dürften, andrerseits aber der Posten nicht länger unbesetzt gelassen werden könne, so habe S. M. Herrn von Ketteler aus Mexiko nach Peking ernannt, mit dem Befehl, umgehend nach China zu reisen. Für Edmund könne z. Z., falls er nicht vorziehe in den vorläufigen Ruhestand zu treten, nur Mexiko in Betracht kommen, da kein andrer Posten vakant sei. Die Verhältnisse in Mexiko gestatteten es, dass Edmund diesen Posten erst Anfang nächsten Jahres antrete. Herr von Bülow wünsche Edmund baldige Wiederherstellung und gute Reise."

Das Telegramm war ja, im Vergleich zu früheren, entschieden sehr freundlich abgefasst, aber ich konnte doch anfänglich gar nicht hinweg kommen über das bittere Gefühl der Kränkung und Zurücksetzung. Der bloße Gedanke, von China, wo Edmund so vieles geleistet hat, nach Mexiko zu kommen, wo wir gar keine Interessen haben, was schlechter bezahlt ist und wo das Klima gräulich sein soll! Zu wissen, dass man nach China nicht zurück braucht, ist ja das beste an der Sache und das einzige, was Edmund zunächst sieht.

Wir kamen überein von Ruhestand oder Mexiko einstweilen gar nicht zu reden, sondern nur zu sagen, dass wir ein Jahr Urlaub hätten und Ketteler ernannt sei. Dann kamen Telegramme vom Prinzen Heinrich, die „Kaiserin Augusta" werde am 6. in Taku sein und uns abholen.

Nun ging es an ein fieberhaftes Packen, um zum morgigen Zug fertig zu werden. Dazwischen allerhand Besuche, und es ist geradezu komisch, wie einstimmig alle gratulieren, dass wir hier wegkommen. Mir wird das Gute allmählich klar. Man darf nur nicht an Mexiko als überhaupt in Betracht kommend denken. Es ist ein Ausweg, um Zeit zu gewinnen. Edmund und ich chiffrierten bis spät in die Nacht hinein nach Berlin, unter anderem, dass wir bis zu Kettelers Ankunft in Peking bleiben und jetzt nur für einige Tage nach Tsingtau gehen würden.

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