31. Dezember 1898

Wir beschlossen das Jahr mit einem Diner bei Knobels, auf welchem die Art von Heiterkeit herrschte, die sich im Aufsetzen von Papiermützen äußert. Ich fühlte mich so angegriffen und übermüdet, dass ich vor 12 Uhr aufbrach.

 Dies Jahr hat uns viel Gutes gebracht. Am Prinzen Heinrich hat sich Edmund einen Freund erworben, und er ist in weiten Kreisen durch die hiesigen Erfolge bekannt geworden. Aber der Mangel an Anerkennung aus Berlin quält ihn beständig, und er führt hier ein ganz isoliertes Leben, während er eigentlich für ein gewisses Maß an Geselligkeit geschaffen ist und besonders auch etwas Damengesellschaft bedarf.

Seit der Abreise der Marquise Salvago hat er das ganz verloren. Er leidet auch mehr wie mancher andere Mann unter der hiesigen Unzivilisation, weil er essentiellement ein Mensch ist, der Komfort und die Freuden einer zivilisierten Stadt nötig hat.

Mit der Freiheit und dem sans gene des hiesigen Lebens weiß er nicht recht etwas zu beginnen. Er tut mir immerwährend viel mehr leid, als ich mir selbst, und für ihn kann ich nur sehnlichst wünschen, dass wir bald von hier fortkommen.

Die Frage der Kinder wird auch eine immer brennendere. Dagegen ist es mir ein unbeschreiblich beruhigendes Gefühl, dass wir uns hier rangieren und noch alle Jahre etwas zurücklegen. Solang wir es hier aushalten, sind sowohl wir als die Kinder geborgen, und das Gefühl ist mir sehr viele Opfer wert.

Heiter ist es ja auch für mich nicht, so ein Jahr nach dem andern hier hinfließen zu sehen wie welke Blätter, die vom Baum fallen und nie wieder frisch werden können. Aber ich sage mir dann immer wieder, dass solche Regrets doch auf recht eitlen und egoistischen Betrachtungen beruhen. Wenn wir nur ein paar Freunde mehr in Berlin hätten. Mumm ist nach Luxemburg versetzt und Kiderlen soll in Ungnade gefallen sein. Dass wir so sehr fremd und vereinsamt sind, ist eigentlich das Traurigste an unsrer ganzen Lage.

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