14. Mai 1898

Der Prinz gab seine Befehle für Wau schau schau, und so reizend er ist, so bestimmt kann er auch sein. Es wurde Goltz gesagt, dass er die Kaiserin direkt im Namen S. K. H. anreden müsse, da der Prinz die Konversation selbst in der Hand zu haben wünsche, und für diese Anrede schrieb der Prinz einiges auf. Leider sind aber sehr beunruhigende Nachrichten da über Komplotte, und auch dafür wurde alles besprochen. Man hatte die Empfindung, vor einem großen Moment zu stehen, über dessen Verlauf wir uns keineswegs so ganz sicher fühlten.

Früh um 5 Uhr standen wir auf und frühstückten mit dem Prinzen. S. K. H. war sehr munter und erzählte sehr heiter. Edmund brach um 7 Uhr auf, da er im Tragstuhl den ganzen Weg machen wollte. Mir war doch schrecklich schwer ums Herz, denn dass die Chinesen ihn besonders hassen, ist ganz klar, und wenn irgend etwas geplant wird, ist es mindestens ebenso sehr gegen ihn wie gegen den Prinzen.

S. K. H. ritt erst um 1/2 8 Uhr ab und sprach während der Zeit mit mir. Er sagte, es sei ihm ein Herzensbedürfnis, dem Kaiser zu schreiben, welche Verdienste Edmund um Kiautschou habe, er selbst habe das erst hier recht eingesehen, und es sei eine wahre Freude zu hören, wie anerkennend alle Welt hier von ihm spräche und welche Stellung er sich hier gemacht habe. Ich dankte dem Prinzen und sagte ihm, damit sei mir ein wahrer Stein vom Herzen, weil ich so sehr sähe, wie sich Edmund abgräme.

Ich hatte während des Tages hunderterlei Dinge zu tun, für die ich dankbar war, denn sie halfen mir über die schrecklichen Stunden hinweg, während denen ich mich doch so ängstigte, dass mir vor Herzklopfen oft der Atem verging. Endlich, zwischen vier und fünf Uhr, kamen die Soldaten zurück, und Leutnant Robert sagte gleich als erstes:

„Es ist alles brillant verlaufen."

Dann erzählte er mir, die Mandarine hätten zuerst sehr versucht die Truppen wegzudrängen, aber er sei doch schließlich von einem Hof in den andern gelangt, und der Prinz habe dann durchgesetzt, dass die Truppe vor seinem Pavillon Stellung genommen hätte, und er habe sie ganz besonders dem Kaiser von China gezeigt, der zu Fuß an ihnen vorbeigegangen sei.

Es klang wie ein Märchen, wenn man weiß, wie der Kaiser von China sich sonst benimmt. Bisher hat man ihn nur hinter einem Altar aufgebaut gesehen, ob er überhaupt Beine besitzt, hat niemand bisher wissen können!

Bald danach kam S. K. H. zurück, schrecklich verstaubt und müde. Er drückte mir die Hand und sagte:

„Na, wir sind alle wieder gut zurück, Ihr Mann kommt dicht hinter mir!"

Dann ging er schlafen, und Kapitän Müller erzählte mir, er könne mir nur zu Edmunds Erfolg gratulieren. Bei weitem am interessantesten sei der Besuch bei der Kaiserin-Exregentin gewesen. Sie habe den Prinzen in einem großen Saal empfangen, der voll der schönsten Bronzen und Cloisonnerien gestanden. Hinter der Kaiserin war ein großer Lackschirm und vor ihr ein Altartisch mit Räucherbecken aufgestellt; auf beiden Seiten dieses Thrones merkwürdigerweise große Körbe, gehäuft voll mit Orangen.

Die Kaiserin soll für ihre 65 Jahre merkwürdig rüstig aussehen und ein sehr energisches Gesicht haben. Sie trug die große mandschurische Haartracht und ein sehr kostbares gesticktes Kleid und war nicht geschminkt. Sehr merkwürdig soll gewesen sein, dass zwischen all den wundervollen Sachen, die herumstanden, ganz elende Blechlampen hingen.

Edmund kam auch bald und war ganz entzückt von der festen bestimmten Art, mit der der Prinz aufgetreten sei. Prinz Ching sei gleich vor der Kaiserin niedergekniet, um ihre Befehle zu erwarten; Prinz Heinrich habe aber sofort die ganze Direktive des Gesprächs übernommen, indem er direkt durch Goltz eine Ansprache an die Kaiserin richtete und die Grüße des Kaisers und der Kaiserin überbrachte.

Die Kaiserin-Exregentin soll darüber anfänglich überrascht gewesen sein, sich dann aber schnell gefasst und Goltz geantwortet haben. Der Prinz erklärte nach einigen Höflichkeitsredensarten, die ihn begleitenden Herren vorstellen zu wollen. Das ging auch wieder gegen alle chinesischen Begriffe; die Kaiserin fasste sich aber schnell und sagte: Der Gesandte sei ihr schon vorteilhaft bekannt durch seine Bestrebungen, die Freundschaft zwischen Deutschland und China zu fördern, und sie hoffe, er werde so fortfahren; Goltz kenne sie durch sein gutes Chinesisch.

Die Kaiserin ließ dem Prinzen allerhand Geschenke bringen: Jadevasen, Seidenstoffe, Porzellanvasen, von ihr selbst angefertigte Malereien und einen Orden, den sie besonders für diese Gelegenheit gestiftet hat. Das Komischste war, dass weitaus die kostbarsten Geschenke für die Kaiserin Friedrich bestimmt waren, die nach chinesischen Begriffen ja weit über dem Kaiser und der Kaiserin steht. Zum Schluss bat Prinz Heinrich die Kaiserin, ob sie die Damen des diplomatischen Korps empfangen wolle, die ihr gern vorgestellt werden möchten, nicht aus Neugier, sondern, um von ihrer Weisheit zu lernen. Die Kaiserin antwortete, sie würde die nächste Festlichkeit benutzen, um die Damen einzuladen.

Von der Kaiserin begab sich der Prinz zum Kaiser, und zwar mit allen Herren. Der Kaiser erwartete ihn stehend und lud ihn dann ein, sich auf einen Sessel neben ihn zu setzen. Er soll wie immer sehr verängstigt und kränklich ausgesehen haben und im Gegensatz zur Kaiserin in der Konversation ganz unbeholfen sein. Edmund meinte, es hätte sehr komisch ausgesehen, wie er am Ärmel des Prinzen herumtastete, um ihm nach europäischer Sitte die Hand zu drücken.

Der Prinz bestand darauf, dass die von S. M. dem Kaiser gesandten Porzellanvasen in seiner Gegenwart hereingebracht wurden. Das war wieder eine große Neuerung, denn bisher sind solche Geschenke stets durch Palastkulis abgeholt worden und mögen sich häufig unterwegs verkrümelt haben.

Prinz Heinrich ging nun in den ihm angewiesenen Pavillon und hatte eine scharfe Altercation mit Prinz Ching und den übrigen Tsunglis, bis das Bataillon Seesoldaten aus dem Vorhof geholt und vor seinem Pavillon aufgestellt wurde.

Als der Kaiser unter seinem roten Sonnenschirm dann angegangen kam, um den Besuch zu erwidern, präsentierten die deutschen Soldaten das Gewehr als erste europäische Truppe, die der Kaiser von China gesehen hat. Er soll über das Trommeln entschieden erschrocken sein und offenbar gedacht haben, nun sei seine letzte Stunde gekommen.

Der Prinz führte ihn dann aber in ein kleines Nebenzimmer, wohin nur noch Goltz als Dolmetscher gerufen wurde, und da soll dann der Kaiser mehr Zutrauen gefasst haben und ein bisschen aufgetaut sein.

Nach diesem Besuch wurden alle Herren durch Prinz Ching durch die Anlagen und verschiedenen Pavillons geführt, sahen das Malzimmer der Kaiserin und fuhren auf einem kleinen Dampfer über den künstlichen See.

Kaiser und Kaiserin sollen sich von ihrem Palais aus diese ganze Wanderung angesehen haben. Bei dem Prinzen Ching, der in der Nähe von Wau schau schau ein Palais besitzt, fand dann ein Diner statt.

Edmund erzählte, der Prinz habe beim ersten Glas gesagt: „Heyking, das erste Glas trinke ich mit Ihnen und danke Ihnen für den Erfolg des heutigen Tages." Edmund sagt, der Prinz habe bei jeder Gelegenheit versucht, ihn vor den Chinesen herauszustreichen.

Ein Diner auf der englischen Gesandtschaft beschloss diesen denkwürdigen Tag, von dem Cockburn meinte, wir wüssten gar nicht, was für eine große Begebenheit wir erlebt hätten.

Index