31. Dezember 1897

Aus Berlin kam ein Telegramm, das uns im höchsten Maße aufregte und empörte:

„Ich nehme mit um so größerer Befriedigung davon, dass Verhandlungen über Kiautschou mehr in Fluss gelangen, Kenntnis, als S. M. zu Ihrem Telegramm 114 bemerkt hatte: ,Zehn Tage, nachdem ihm telegraphiert worden, wie kommt das?'

Die Tendenz der Chinesen, zwar über Missionsangelegenheit abzuschließen, aber Verhandlungen über Kiautschou hinzuziehen, ist mir nicht unbekannt und vom chinesischen Standpunkt begreiflich. Ihre Aufgabe ist es, ihnen klarzumachen, dass sie vor Erledigung von Kiautschou-Sache auf Beilegung der Missionarsache keine Aussicht haben.

Auf Idee der Bildung einer Schutztruppe in Shantung kann nicht eingegangen werden, weil sie uns falschen Auslegungen von dritter Seite aussetzen würde.

Dagegen dürfte Euer Hochwohlgeboren nicht schwer fallen, die neuen Vorfälle als Druckmittel zu verwerten, um Chinesen zu rascherem Abschluss über Kiautschou zu bringen."

In Berlin scheint man sich keine Vorstellung davon zu machen, dass Telegramme zwischen Tsintau-Forts und hier oft zwei volle Tage unterwegs sind und das Übersetzen und Abschreiben der Noten auch Tage erfordert. Dass es S. M. lange erschienen, ist vielleicht begreiflich, aber es hätte sich wohl ein Wort der Erklärung von Bülow finden lassen können!

Edmund war außer sich, denn er hat mit äußerster Anstrengung gearbeitet, und alle übrigen Gesandten hier sprechen von seiner Energie, und unser Prestige hat sich durch sein Auftreten enorm gehoben. Dann gleichzeitig von zu Hause die Insinuation der Lässigkeit zu erhalten, ist etwas hart. Der ganze Ton der Depesche ist auch so, dass man sich ärgern muss.

Ich schrieb sofort an Grünau, erzählte ihm von unsrer Deprimiertheit, von allem, was Edmund bisher erreicht hat, und dass von irgendwelcher Anerkennung aus Berlin keine Rede ist. Wenn man sich erinnert, dass Admiral von Diederichs sofort zur Exzellenz gemacht worden, Edmund, der hier den weitaus schwierigeren Teil hat, nur Rüffel bekommt, ist es wirklich etwas hart!

Wir begannen zusammen mit der Gesandtschaft das neue Jahr. Das alte hat uns durch den Tod von Onkel Edmund schweren Kummer und Enttäuschung gebracht, aber um Kiautschous willen ist es uns ein gesegnetes Jahr! Ich gedachte viel der Kinder, mit denen uns das neue Jahr wieder zusammenführen möge. Möchten sie alle drei ruhige, glückliche Leben haben, ohne viele ups and downs.

Ich weiß nicht, ob ich mein Leben in der Hinsicht viel anders haben möchte, denn ich war wohl für Aufregungen prädestiniert und habe schon als Kind oft die Empfindung gehabt, dass mir ganz besondere Erlebnisse bevorständen.

Aber wenn ich für die Kinder Wünsche hege und mir ihre Zukunften ausmale, so denke ich immer an ruhige, zufriedene Existenzen zu Hause, die sich anschauen wie friedliche deutsche Landschaften, mit Wiesen und Bächen, über denen sich der Abendhimmel goldig wölbt.

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