27. November 1897

Gleich nach dem Tiffin erschienen Chang yin huan und Weng tung ho bei Edmund. Ich saß in der Veranda und konnte so die Unterredung hören. Zuerst war von Edmunds starker Erkältung die Rede, dann langes Schweigen. Darauf sagten die Chinesen, sie seien vor allem gekommen, um zu sagen, wie sehr sie es missbilligten, dass Edmunds Forderungen bekannt geworden seien, und sie sähen ein, dass das für ihn kränkend wäre. Edmund sagte, die Indiskretion sei durch das Tsungli passiert, worauf beide protestierten: „Aber nicht durch uns!" Edmund: „Nein, nicht durch Euch!" „Nun, du hast den Namen nicht genannt, so wollen wir es auch nicht tun, aber wir wissen, wen du meinst." „Gescheite Leute verstehen sich auch, ohne zu sprechen!"

Wieder lange Pause, worauf die Chinesen frugen, wann Edmund würde zur Verhandlung ins Yamen kommen können. Edmund antwortete: „Er könne überhaupt nicht mehr ins Yamen kommen, denn die Chinesen hätten ja geschrieben, dass sie nicht verhandeln könnten, so lange nicht die Besetzung zurückgezogen sei; da er dies nun nach Berlin gemeldet, müsse er nun warten, bis er eine neue Note des Tsungli erhalten, in welcher die Chinesen erklärten, trotz der Besetzung verhandeln zu wollen.

Sie antworteten: „Über Zurückziehung der Truppen brauche man nicht mehr zu reden." Wieder Stillschweigen, worauf sie fortfuhren: „Da sei ein Punkt, über den sie sprechen wollten: Edmund habe den Gouverneur Li ping so angegriffen, und sie gäben ja auch zu, dass er in der Behandlung der Missionare gefehlt habe, aber er hätte auch viele gute Eigenschaften und habe z. B. in der Finanzverwaltung seiner Provinz viele Ersparnisse gemacht." „Diese Ersparnisse könnten China teuer zu stehen kommen," warf Edmund hin und führte dann aus, Li ping habe seit Jahren gegen die verschiedenen Missionare aufgereizt, und wie der Hauptmusikant dirigiere, so bliesen dann die kleinen Musikanten. Und daher hätten sich auch die kleineren Mandarine fortwährender Vergehen gegen die Mission schuldig gemacht. In Deutschland würden alle religiösen Fragen sehr ernst genommen, und darum müssten diese Verbrechen gegen Missionare ganz besonders gesühnt werden. Die Chinesen antworteten, in China nähme man die Religion auch sehr ernst, und die Regierung sei sich bewusst, alle schützen zu müssen; sie würden auch tun, was sie könnten, um Sicherheit zu schaffen, aber die Provinz Shantung habe dafür einen schlimmen Namen, dass sie durch Räuberbanden heimgesucht würde. Edmund warf hin, er habe auch davon gehört, dass diese sogenannten Räuberbanden revolutionäre Tendenzen verfolgten.

Ferner sagten die Chinesen, Edmund habe ihnen von einem „gefangengenommenen" General geschrieben; das klänge so kriegerisch und kränke sie. Edmund antwortete, er sei bereit, seine Note abzuändern und von einem „zurückgehaltenen" General zu sprechen, übrigens glaube er, sie versichern zu können, dass Deutschland den dauernden Besitz des Generals Zhang China nicht streitig machen wollte!

Die Mandarine betonten noch einmal, dass sie alles friedlich zu arrangieren wünschten; sie wüssten ja, dass China der Freundschaft Deutschlands viel verdanke. Chinas guter Wille sei aber doch auch für den deutschen Handel von großem Wert. Edmund sagte, er freue sich, zu hören, dass sie die Freundschaft Deutschlands zu schätzen wüssten, und sie möchten nur an das Beispiel des Sultans denken, der habe als einzigen Freund den deutschen Kaiser gehabt, und wie groß und mächtig stehe er nun durch diese Freundschaft da.

Die Mandarine betonten nochmals, sie wollten alles in Freundschaft regeln und keine andre Macht habe ja auch in der Frage mitzureden. Edmund sagte, er möchte dies noch einmal ausdrücklich hören, ob wirklich keine andre Macht an dem besetzten Gebiet beteiligt sei. Sie antworteten: „Nein, nein!" (Die Dolmetscher aber meinten nachher, das „Nein" hätte sehr zweideutig geklungen.) Darauf empfahlen sie sich, nachdem noch viel über Edmunds Katarrh geredet worden war.

Dr. Franke meinte, auf Krankheit oder Nahrung nähmen sie auch bei den wichtigsten Dingen Rücksicht. Edmund sprach die ganze Zeit sehr ruhig und leise und vermied alles, was sie froissieren konnte. Wenn sie nun schließlich tun, was wir wollen, so kann man ihnen ja den Gefallen erweisen, sie zu behandeln, wie sie es mögen, und sie nicht unnütz zu demütigen.

Reuter brachte die Nachricht, dass Prinz Heinrich als Kommandant des nun verstärkten Geschwaders herauskommen würde. Das wäre eine wahre Freude und würde hier Deutschland eine enorme Stellung machen. — Die Russen müssen Contreordre erhalten haben, denn sie kamen alle nachmittags zu Besuch und waren viel höflicher als je zuvor.

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