10. Oktober 1897

An hohen Felsen vorbei, zwischen einigen Inseln hindurch und dann in die Kiautschou-Bucht eingelaufen. Ein enormes Bassin, welches sich z. T. in das flache angeschwemmte Land verliert, so dass man sein Ende nicht so recht sieht. An den andern Seiten dagegen sind Inseln und Felsenküsten, welche die Bai gut schützen. Die Felsen sind ganz eigentümlich zackig und in ihren duftigen Farben erinnerten sie an die Küstencordillera und auch an zentralasiatische Gebirge. Der erste Eindruck ist zwar recht male­risch, aber doch sehr öde und verlassen. In der Bai liegen die soge­nannten Horseshoerocks und von diesen ließe sich leicht nach Womans point eine Mole bauen, durch die dann ein geschütztes Bassin entstände, an welchem die Werften angelegt würden. Wir ruderten gleich an Land und machten mit Kapitän Thiele einen Explorationsgang nach dem höchsten Hügel, von dem aus man einen guten Überblick hat und ich eifrig skizzierte.

Sehr komisch waren zwei chinesische Mudforts, an denen wir vorbeikamen, und vor denen Haufen lumpiger Kulis, die sogenannten Soldaten, herumlungerten. Die Fortkommandanten hatten Kapitän Thiele gleich an Bord besucht, und Krebs mit ein paar jüngeren Offizieren ging dann, die Visite zu erwidern. Wir sollten durchaus zu einem chinesischen Mahle kommen, zogen es aber vor, an dem hohen Strand zu lunchen, in einem aus Rudern und Segeln improvisierten Zelt. Kapitän Thiele ließ dazu über unserm Zelt die deutsche Fahne wehen, und was wir von so ganzem Herzen wünschen, war so scheinbar wahr.

Es war ein sehr interessanter Tag, und die Marineherren meinten, aus der Kiautschou-Bucht würde sich doch viel machen lassen. Edmund und ich sind sehr dankbar, es gesehen zu haben, und zwar ich als erste deutsche Dame. Von irgendwelchen russischen Unternehmungen ist nichts zu sehen. Das ist eine Besitznahme, die nur auf dem Papier steht, und von der wir uns nicht sollten abhalten lassen, wirk­lich zuzugreifen.

Die Chinesen hatten übrigens schon von unserm Besuch Wind bekommen, denn es lag ein Kriegsschiff da, welches offenbar schon im voraus von Peking hinbeordert war.

Index