5. Mai 1897

Die alte Mrs. Denby holte mich morgens ab, und wir fuhren nach dem verlassenen kaiserlichen Jagdpark Wan hei lo, in welchen eigentlich kein Mensch hinein darf. Der Park ist von einer hohen Mauer umgeben, und wenn man eintritt und die blumigen Wiesen, die halbüberwachsenen Teiche und die schönen Blumen sieht, glaubt man wieder in Europa zu sein. Das Jagdschlösschen, welches verfallen auf einer kleiner Insel inmitten des schilfigen Wassers liegt, wurde von Chen lung gebaut, und alles dort erinnert an die gleichzeitigen Louis XV. Lustpavillons in chinesischem Stil, wie man sie in Frank­reich, Deutschland und Sizilien so oft gesehen hat. Ich hatte, wie so oft, die Empfindung des früher schon Erlebten. Auf einem Hügel steht ein Teepavillon mit geschwungenen Dächern, über die Arme des Teiches führen Marmorbrücken, die z. T. ganz eingestürzt sind, z. T. noch eben zusammenhalten — mais sans conviction, als wüssten sie, dass der Ruin und Verfall ja doch nicht aufzuhalten sind. All die Louis XV. Chinesen und Chinesinnen, die dort Tee getrunken und kleine Pfeifchen geraucht haben, sind ja auch längst dahin und verschollen. Im Hof des eigentlichen Schlösschens blühte eine wundervolle Glyzinie, die alles überwucherte, und im Rasen standen unzählige Veilchen und Wicken.

 Ich skizzierte, und nachher lunchten wir im kleinen Teepavillon lauter praktische Büchsenkonserven, die sich recht merkwürdig machten in dieser Umgebung von 1700. Wir selbst machten uns wohl auch merkwürdig: drei praktische Amerikanerinnen und eine Deutsche, welche letztere allein wohl das sah, was einst gewesen.

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