4. März 1897

Wir gingen mit Grosvenor, Vinck, Serceys und Vidals in die Chinesenstadt, um Curioläden zu sehen. Das größte Curio ist immer wieder die Stadt selbst mit ihrem stets von neuem verblüffenden Schmutz und Gestank. Es gibt Straßen, in denen die Unrathaufen bis an die Dächer reichen und nur auf der einen Seite ein kleiner ebener Steg frei bleibt, der jetzt aber, im Tauwetter, natürlich auch kaum passierbar ist. Andere, breite Straßen, haben in der Mitte eine Art erhabenen Damm, auf dessen Seiten allerhand fliegende Läden errichtet sind, und daneben viel tieferliegende Fußsteige, in welche natürlich aller flüssige Schmutz von oben herabsickert. Bei noch anderen Straßen findet sich eine Art Trottoir wie angeklebt an den Mauern, und die eigentliche Fahrstraße in braunem Unrat-Schlammstrom führt drei bis vier Fuß tiefer daneben.

Die Bettler, denen man in Scharen begegnet, sind abschreckend schmutzig, in die unmöglichsten Lumpen gehüllt, z. T. sogar ganz unbekleidet. Sie bilden eine besondere Gilde und sind nach Straßen verteilt, und von ihrem Erwerb haben sie ihren Häuptlingen gewisse Abgaben zu machen, von denen diese wieder dem obersten Chef der ganzen Gilde, der stets ein kaiserlicher Prinz ist, Prozente zahlen müssen. So wird denn sogar der nackte, verhungernde Bettler in China gesqueezed. Für die Obdachlosen soll es in Peking ein Haus geben, dessen Räume nicht etwa mit Betten versehen sind, sondern welche mit Federn angefüllt sind; da sollen allnächtlich Hunderte dieser beinahe nackten, nie gewaschenen, mit jedem Ungeziefer bedeckten Gestalten hineinkriechen. Man denke sich, welche Ansteckungsherde!

Wir kamen in einen sehr merkwürdigen Hof, in welchem Ballen schöner, alter Seiden und Samte lagen, die von dort auf den öffentlichen Auktionen versteigert werden. Am Eingang dieses Hofes saßen eine Reihe seltsamer Bettlergestalten; einer von ihnen hatte sich seiner Lumpen gänzlich entledigt und fraß die unzähligen Läuse, die darauf promenierten. Die Gourmets sollen sie nur aussaugen und dann die Häute ausspucken, wie wir die Traubenschalen!!

Unser Spaziergang währte 3 1/2 Stunden, und wir kamen aus dem Wirrsal kleiner Straßen schließlich ganz in der Nähe des Himmelstempels heraus. Die hohen Wipfel der alten Bäume winkten verlockend über die Mauern, welche das weite Grundstück des Himmelstempels umgeben; aber wie überall, wo es in Peking hübsch ist, darf der Europäer ja nicht eintreten. Sir MacDonald meint auch, dass Peking abends ganz den Eindruck einer City of the dead macht, und welche Bilder Dante hier gefunden hätte.

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