1. März 1897

Wir machten einen Besuch bei Lady Macdonald, und ich war wieder entsetzt über die entsetzlichen Straßen mit ihrem Schmutz und Gestank und der armseligen Menschheit, die sich darin grau und trübe hinwälzt. Ich habe oft die Empfindung, als lebten wir wirklich in der Kloake der ganzen Welt, wo alles Schmutzige und Schreckliche von allen Weltenden zusammenfließt. Dazu die stumpfsinnige Trübseligkeit des ganzen Orts und aller Menschen; alle Leute, denen man begegnet, sehen wie Bettler aus; man sieht nie etwas Hübsches und Freudiges.

Ich ertrage es nur dadurch, dass ich Haus und Garten nie verlasse; müsste ich viel ausgehn, so würde ich tiefsinnig, denn ich bin jemand, der so sehr vom Schönen lebt und von einer kongenialen Umgebung abhängig ist. Hier lastet das Hässliche wie Blei auf mir, und dann fühle ich mich so grenzenlos isoliert. Ach, dieses Gefühl des Alleinseins, wie es uns trotz allem durchs Leben begleitet! Wie ein Gefühl der Angst überkommt es mich oft des Nachts, und mir ist dann, als schwebte ich allein, ganz allein im dunklen Äther über einer aus­gestorbenen Welt.

Hier, wo ich soviel Zeit zum Nachdenken und Erinnern habe, fallen mir oft frühere Lebensbilder ein. Ich sehe besonders so oft ein ganz junges Mädchen nachts am offenen Fenster; am Himmel steht der Mond, aber große, schwarze Wolken jagen an ihm vorbei; die Straße unten ist nass, die Laternen flackern unstet im Winde, manchmal hört man Sporenklingen auf dem Trottoir. Drüben an der Ecke des Hirschgartens blüht der große Baum hellgelb, und der Wind bringt einen leisen Frühlingsduft mit sich. — Wie oft habe ich da gestanden und soviel Fragen an die Zukunft gestellt und Pläne gemacht. War ich das wirklich? Schon damals habe ich jenes geheime Buch der unerfüllten Wünsche zu schreiben begonnen, in das ich seitdem täglich mit müderer Hand eine unerklommene Höhe mehr verzeichne.

Wenn sich nur der eine große Wunsch hier erfüllt, durch den allein ich das Leben hier ertrage! Alles eigne Leben in mir ist so sehr abgestorben, und so vieles, woraus hätte etwas werden können, ist verkümmert. Ich lebe beinahe mehr in Edmunds Beruf wie er selbst und fühle die Schwierigkeiten und Hoffnungslosigkeiten so sehr intensiv.

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