11. August 1896

Morgens früh brachen wir von Tientsin auf. Zum Abschied hatten sich verschiedene Deutsche im Hotel versammelt; es ward uns ein Ständchen gebracht, und als wir uns in Sänften und Rickshaws in Bewegung setzten, spielte man wieder die „Wacht am Rhein".

Die Boote, auf denen wir den Peiho bis nach Tungchau fahren sollen, waren schon abends vorher vorausgeschickt worden, denn in der Stadt liegen im Fluss so viele Boote, dass man nur ganz mühsam durchkommt, und wir so zirka 12 Stunden gewannen.

Wir ließen uns also durch die Chinesenstadt hindurch tragen, mit einem Vorreiter des Vizekönigs voran, der unserm Zug durch kräftiges Dreinhauen einen Weg durch das Menschengewühl bahnte. Die Massenhaftigkeit der Menschen frappiert so sehr in China! Wir begegneten einem Begräbniszug, in welchem allerhand Papiergebäude getragen wurden, die dann verbrannt werden, wodurch dem Verstorbenen alle diese Schätze im Jenseits gesichert werden sollen. Durch verdeckte Basare kamen wir hindurch und über eine Brücke, von der aus wir einen hübschen Blick auf die Stadt und die malerische Ruine der verbrannten Kathedrale [1870 von den Chinesen zerstört] hatten. Jenseits der Stadt fanden wir unsre vier Boote. Das große customhouseboat, in welchem Edmund, Elise und ich wohnen und drei chinesische Hausboote, die wir als Gepäckboot, Essboot und Grünaus Boot eingeteilt haben. Außerdem eine Dampfbarkasse des Vizekönigs, welche uns so weit als möglich schleppen soll.

Zur Begleitung und Bewachung sind uns zwei kleine Mandarine mitgegeben, von denen der eine den Kristallknopf, der andere den Porzellanknopf trägt und die wir unsre „Hofräte" tauften.

So setzten wir uns denn in Bewegung und fuhren auf dem stellenweise stark ausgetretenen Fluss zwischen endlosen hellgelben Hirsefeldern dahin. Die Hitze ist Gott­lob erträglich, zu den Mahlzeiten treffen wir uns mit Grünau auf dem Essboot und das Dahingleiten auf dem breiten Fluss in der monotonen, aber anheimelnden Gegend hat etwas Wohltuendes, Nerven­beruhigendes. Ich kann mir nachträglich vorstellen, dass eine Nilfahrt in eigener Dahabeah sehr schön sein muss.

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