6. August 1896

Nach einer herrlichen Nacht kamen wir morgens in Taku an, d. h. wir lagen in einer braungelben See und am fernen Horizont sah man einige Masten.

Bald erschien ein Dampfer, den der Vizekönig Edmund entgegenschickte, ihn zu begrüßen. Als wir die „Irene" verließen, brachten die Matrosen drei Hochs aus, und die 15 Schüsse krachten zum Abschied.

Allmählich näherten wir uns Taku, dessen braune Erdwälle sichtbar wurden. Als wir uns auf der Höhe der Festungstürme befanden, wurde auf der Signalstange die deutsche Flagge gehisst, gleichzeitig und mit erstaunlicher Präzision stieg auf dem Fort die gelbe Drachenflagge auf, und über den Krenelierungen der Wälle erschienen eine Masse roter Fahnen mit weißen Inschriften. Dazu wurden 17 Schüsse abgefeuert, und dann verschwanden die Fähnchen mit derselben Schnelligkeit und Präzision, mit der sie gekommen. In solchen eingeübten Kunststückchen soll allerdings die Haupttätigkeit der Fort-Garnison bestehen.

Wir fuhren nun den gelben Peiho hinauf, der mit allerhand Dschunken bedeckt ist und an dessen Ufern Lehmdörfer stehen, welche an ägyptische Fellahhäuser erinnern.

In Taku verließen wir den Dampfer und bestiegen den Extrazug, den der Vizekönig für Edmund geschickt hatte. Nach einer Stunde stiegen wir aus und fuhren mit einer Dampfbarkasse, die mit vergoldetem Schnitzwerk verziert war, nach dem Landungsplatz von Tientsin.

Dort erwartete uns die ganze zahlreiche deutsche Kolonie, die Damen überreichten mir Blumen, eine chinesische Kapelle spielte die „Wacht am Rhein" und „Heil dir im Siegerkranz", und der Vertreter Krupps und Präsident des deutschen Klubs brachte ein dreifaches Hoch für uns aus. Wir waren ganz ergriffen von der Herzlichkeit und Freundlichkeit dieses Empfangs, wie wir ihn noch nirgends erlebt haben.

Wir stiegen im „Astor House" ab, wo uns der deutsche Wirt, Ritter, sehr behagliche Zimmer eingerichtet hatte. Zum Diner waren wir bei Oberst von Kretschmar [ein Vertreter Krupps], mit dem ich gleich sehr bekannt wurde, da seine Tochter in Altenburg erzogen ist. Er erzählte mir viel von Cassini, der seiner Ansicht nach gar kein Deutschenfeind sei, und der ihm von der einstmaligen Aufteilung Chinas sprach, bei der er von England ganz absah und das Gebiet zwischen der russischen und französischen Sphäre Deutschland zuweisen möchte. Das englische Prestige sei hier sehr geschwunden, aber der neue Gesandte Sir Claude Macdonald wäre sehr rührig, und Edmund würde viel zu tun haben, um das Gegengewicht zu halten.

Es war ein sehr schöner Tag; man sieht hier ein so rühriges und selbstbewusstes Deutschtum, dass man wieder Zutrauen zu seiner Zukunft bekommt. Eine der ersten Aufgaben Edmunds wird es sein, die hiesige deutsche Konzession zu einem blühenden Settlement zu machen. Überall liegen große Aufgaben und seit wir in Tientsin sind, hat Edmund wieder die Freude und Begeisterung für seinen Posten. Sein spezifisch deutscher Ruf hat ihm entschieden schon Freunde im voraus gemacht.

Index