26. Juli 1896

Nachmittags fuhren wir bei großer Hitze aus und besahen uns einen chinesischen Vergnügungsgarten. Eine Menge Chinesen in blassblauen Seidengewändern, die jeunesse dorée von Shanghai, ergingen sich dort. Chinesinnen, mit weiß und rosa geschminkten runden Gesichtchen, Orangenblüten oder künstlichen Schmetterlingen hinter den Ohren im glänzenden schwarzen Haar, saßen mit ihren niedlichen, in bunte Seide gekleideten Kindern und schlürften allerhand kalte Getränke. In dem Garten ist ein großer Teich, der über und über bedeckt war mit schöngeschwungenen samtigen Lotosblättern und rosa Lotosblüten. Die Chinesen ließen sich alle davon abschneiden, und diese Freude an Blumen und das ganze Treiben in diesem Lokal brachte sie uns menschlich näher. Das Ganze war ja ein besonders ausländisches Bild; die grüne Wiese, in welcher sich die Chinesen wie große blassblaue Blumen abhoben, der Lotosteich, in dem sich diese seltsamen Menschen gruppierten, um mit langen Zangen einzelne Blüten aus dem Blättergewirr herauszuholen, die buntgekleideten Frauen und Kinder, die unter ihrer dicken Schminke so leblos und artig wie große Puppen dasaßen, einen runden roten Klecks auf der Unterlippe — es war alles so fremd, dass es beinah irreal erschien, und doch hatte dieser Zug, sich harmlos im Freien zu vergnügen, etwas so allgemein Menschliches, dass man unwillkürlich in diesem fernen China an Sonntagnachmittage im Berliner Zoologischen Garten denken musste! Wenn man in Shanghai sieht, wie sehr die Chinesen europäische Straßen genießen, auf denen sie spazieren fahren können, wie sehr sie sich bemühen, in die Settlements hineinzukommen und dort die besten Häuser und Gärten zu kaufen, so sagt man sich doch unwillkürlich, dass dem Lande nichts Besseres passieren könnte, als unter europäische Kontrolle zu kommen, und dass sich die Chinesen dabei sehr bald viel glücklicher fühlen würden.

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